Überschreitung Obergabelhorn via Arbengrat und NO-Grat/Wellenkuppe
Rothorngrat auf Zinalrothorn, Abstieg Normalweg Südwand
Genau 10 Jahre ist's her, dass ich im Herzstück der Walliser Alpen zugegen gewesen bin. Und fast hätte ich vergessen, wie prächtig die Berglandschaft dort ist. Doch nun, kurz entschlossen, nahmen wir die 7-stündige Autofahrt von Innsbruck nach Zermatt in Kauf. Bereits die Anreise gestaltete sich nervenaufreibend, vergassen wir doch vor dem Furkapass nochmals voll zu tanken. Mit dem letzten Tröpfchen rollten wir den Pass hinunter und in die erste Ortschaft, welche zum Glück eine (!) Zapfsäule parat hielt.
In Zermatt das große Erwachen, knapp 15 Fränkli sollte die Parkgarage in Täsch pro Tag kosten, doch nebenan gibts private Stellplatzvermieter. Parkhaus Schaller verlangt "nur" 5 SFR/Tag und für das Shuttle nach Zermatt hinein verlangte er "nur" 12SFR.
Amüsant das rege Treiben bereits am frühen Morgen in Zermatt. Japanische Touristen mit obligatorischem Fotoapparat bilden mit Bergsteigern aus aller Welt das Dorfbild, dazwischen die Elektrotaxis, Schicki-Micki-Läden und "Wegweiser" zum Chäse-Fondu. Wir genießen in dem Trubel erstmal unser Frühstück.
Danach schlendern wir durch den Ort in Richtung Zmutt, einem Mini-Dörfchen, idyllisch oberhalb von Zermatt gelegen in Richtung Schönbiehlhütte. Welche Dimensionen in den Westalpen, wir marschieren und marschieren, immer mit Blick aufs Matterhörnli, durch wunderbare Natur, fantastische Gletscher in Sichtweite. Dann schließlich, die Abzweigung hinauf zum Arbenbiwak. Steil schlängelt sich der Steig auf dem Moränengrat nach oben. Die letzten Steilstufen über ausgewaschene Gletscherschliffplatten werden mittels "Klettersteig" überwunden. Nach 5 Stunden stehen wir vorm Arbenbiwak, einer kleinen unbewarteten Hütte für 15 Personen. Für ein Biwak recht nobel mit Klohäuschen, Licht, fließend Wasser und Gas.
Insgesamt 15 Bergsteiger teilen sich in der Nacht das wohligwarme Hüttchen, allesamt Schweizer und 2 Österreicher, welche zum Teil auch den Arbengrat mit Überschreitung der Wellenkuppe hinunter zur Rothornhütte vorhaben und danach die Besteigung des Zinalrothorns über den Rothorngrat. Wir werden also die kommenden 2 Tage gemeinsam auf dem Weg sein.
Der Wecker klingelt bereits früh, die Gaskocher werden angeworfen, die Energiespeicher ein letztes Mal getankt. Um 5 Uhr starten wir noch in der Dunkelheit hinauf zum Einstieg des Arbengrates. Zunächst weisen Steinmandln den Weg, danach ist Schneestapfen angesagt. Eine brüchige Rampe leitet in leichter Kletterei hinauf auf den Grat. Es wird Tag und der herrlich feste Arbengrat liegt vor uns. Wir klettern immer gleichzeitig über kleine Türme, traversieren, nehmen den nächsten Aufschwung mit, balancieren über schmale Schneiden. So unakklimatisiert wie wir sind pocht mir das Herz in den Ohren, doch ich kann nicht aufhören, zu lässig ist die Kletterei am sehr grobkörnigen, teilweise mit kleinen Knubbeln übersähten Felsgrat.
Um 7:30Uhr stehen wir bereits auf dem Gipfel des Obelgabelhorns, die Sicht reicht vom Matterhorn über die Dent Blanche, das Zinalrothorn mit dem Rothorngrat und das Weisshorn im Hintergrund hinüber zur Mischabelgruppe, Monte Rosa, Liskamm und Breithorn. Einfach genial! Die Verhältnisse sind einfach bestens momentan, der Fels schneefrei, die Temperaturen im T-Shirt-Bereich, kein Wind.
Die anderen Seilschaften erreichen kurz nach uns den Gipfel, eine Bergführerpartie macht sich bereits für den Abmarsch über den NO-Grat bereit. Mit Steigeisen klettern wir zwar in festem Felsen, aber äußerst ausgesetzt den Normalweg hinunter, einige Steilstufen überwinden wir mittels abseilen. Es hängen viele Schlingen, welche kurze Abseilstrecken ermöglichen, denn die vielen Schuppen versprechen mächtig Reibung beim Abziehen und zahllose Möglichkeiten für Seilverhauer.
Schließlich erreichen wir den Firngrat, ausgesetzt mit Tiefblick in die steile Nordflanke des Obergabelhorns gehts konzentriert Schritt für Schritt hinunter. Teils stark überwechtet führen die Spuren zu einem Gendarmen in der der Verbindung zur Wellenkuppe. Nochmals ist leichtes Klettern angesagt, bevor Fixseile den Abstieg erleichtern. Ein letzter Gegenanstieg, die Wellenkuppe ist erreicht. Der Blick zurück zum Obergabelhorn zeigt schnell, warum der Abstieg so gefürchtet ist, ein wackliger Schritt und man liegt etliche hundert Meter tiefer auf der Nordseite...
Die Wellenkuppe bietet eine weitere Möglichkeit, sich schnell zu verabschieden. Brüchige Felsen oder besser gesagt Schotter zum Abklettern, das Auffinden des richtigen Weges stellt eine weitere Hürde dar, dazu einige Verhauer-Steinmandln und mal wieder Abseilen. Erschöpft erreichen wir den Sattel, welcher einen ab nun an einen gemütlicheren Abstieg verheißt. In guter Spur gehts über den Gletscher und durch den Gletscherbruch in großem Bogen zur Rothornhütte. Ständig fällt unser Blick zurück zur Wand der Wellenkuppe, wo lautes Donnern von den herabfallenden Gesteinsbrocken unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ein brutaler Bruchhaufen...
Die Rothornhütte ist eine klassische schweizer Westalpenunterkunft, saftige Preise, schmale Liegefläche, Klo draußen. Dafür wird die Herberge von 2 überaus netten Mädels geführt, die sich wirklich Mühe geben für das Wohl ihrer Gäste zu sorgen.
Bereits um 3:30Uhr wird geweckt, alle hasten zum Frühstück. Wir dehnen das Frühstücken etwas aus und starten als fast letzte Partie um 4:10Uhr, schließlich wollen wir den Grat nicht im Dunkeln klettern. Auch der Zustieg gestaltet sich im Finstern nicht als aller einfachst. Bis zum großen Schneefeld, welches auf die Schulter leitet geht unser Weg zwar gleich mit dem Normalweg, doch danach gibts keine Spuren von Vorgängern mehr. Wir sind auf uns alleine gestellt. Schließlich erreichen 3 weitere Seilschaften die Abzweigung, ein Bergführer mit seinem Gast weiß gekonnt den richtigen Durchschlupf über schuttige Bänder und echt übles Schuttgelände hinunter über Blankeis mit Schuttauflage ins Gletscherbecken.
Nun ists auch endlich hell, die Rampe hinauf zum Rothornjoch bereits leicht ausfindig zu machen. Der Bergschrund ist leicht zu überwinden, wir gewinnen rasch an Höhe. Am Joch angekommen, begrüßt uns ein eisiger Wind von der Westseite her, brrrr. Also geht's mit Handschuhen am zunächst flachen Grat entlang, die kleineren Aufschwünge werden direkt erklettert. Gewaltig liegt er vor uns, der wegen seiner hervorragenden Felsqualität viel gelobte Rothorngrat.
In der Taktik vom Vortag, gleichzeitiges Klettern, erklimmen wir rasch einen Aufschwung nach dem anderen. Teilweise sind recht steile Stellen dabei, ungewöhnlich für einen 4er, aber die alte Bewertung...wir modernen "Sportkletterer" sind halt nix gewöhnt:-). Ausgesetzte Querungen, eine griffige Schuppe jagt die nächste, die Felsqualität ist wirklich ausgezeichnet. Schließlich erreichen wir die Gabel, wo der Normalweg auf den Grat trifft. Der Charakter der Kletterei ändert sich ab hier schlagartig. Extrem abgegriffener Fels mit Steigeisenspuren weist den Weg. Dazu viele eingerichtete Köpfl, sogar einige Bohrhaken und Stifte. Genussklettern ist angesagt.
Schließlich ist das Gipfelkreuz nicht mehr weit, doch die letzten Meter ziehen sich, wir spüren gewaltig die Höhe und sind schlichtweg erschöpft. Um 10 Uhr stehen wir auf dem Zinalrothorn, zusammen mit einer Seilschaft, welche den Rothorngrat von der Montet-Hütte angegangen ist, kurz darauf treffen auch die 2 anderen Seilschaften ein. Jetzt wirds fast a bissl eng am kleinen Gipfel. Gemeinsam mit den 2 österreichischen Kollegen, welche wir bereits am Arbenbiwak angetroffen haben, beginnen wir den Abstieg.
Teils abkletternd, teils abseilend durch die Südwand (stark steinschlaggefährdet bei mehreren Seilschaften) gehts flink hinunter zum Band, welches hinüber zur Rippe leitet. Nochmaliges Abseilen, dann ist der Firngrat erreicht. Die "Stairway to heaven" führt zum großen Schneefeld mit fantastischem Matterhornblick, wo wir in der Früh abgezweigt sind. Der Weiterweg ist klar, ein letztes Mal konzentrieren beim Abklettern vom brüchigen Einstiegskamin, welcher auf den Gletscher führt. Ohne Steigeisen gehts knieschonend hinunter, dem letzten blanken Stück kann rechts (im Abstiegssinne) im steilen Schnee ausgewichen werden.
Müde aber zufrieden erreichen wir um 14Uhr die Rothornhütte und gönnen unseren Füßen eine Pause, der lange Abstieg ins Tal nach Zermatt steht uns ja noch bevor. Nach gut einer Stunde Rast, Energie- und Wasserspeicher auffüllen, brechen wir auf. Bye Bye Rothorn...
Das Berghotel Trifft liegt auf halber Strecke, wir nutzen die Gelegenheit und gönnen unseren malträtierten Fußsohlen eine weitere Rast. Ein hausgemachter Eistee und ein Ananascake versüßen die Pause und leeren den Geldbeutel. Ab dem Berghotel Trifft gehts steil bergab in die Schlucht, schöne Wanderung, aber wirklich genießen können wir die Landschaft heute nicht mehr. Nach 2600Hm in den Beinen erreichen wir Zermatt und sind froh, als wir uns entspannt auf die Rückbank des Taxidienstes fallen lassen können.
Auf der anschließenden Heimfahrt erleben wir noch einmal die volle Kraft der Natur: ein Wahnsinnsgewitter begleitet uns fast die gesamte Strecke von Visp bis nach Chur, wo wir schließlich hundsmüde auf der Autobahnraststätte die Augen schließen, morgen ist auch noch ein Tag...
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Anna (Freitag, 12 Oktober 2012 14:53)
Hallo,
Wirklich atemberaubend deine beschriebende Wanderung!!! :) Mich würde interessieren welche Wanderkarten du verwendest? Ich bin sehr zufrieden und glücklich mit meinen Karten von der Seite http://www.publicpress.de/. Kennst du die oder würdest du eventuell spezielle andere Karten empfehlen? Ich als begeisterte Wander-Fan bin natürlich immer auf der Suche nach der nächsten herausforderung! :)
lg und danke im voraus
Anna
Patricia (Freitag, 12 Oktober 2012 15:16)
Danke für dein Lob, auch für den Hinweis mit den Karten von publicpress, die sicherlich in außeralpinen Gebieten super zum Einsatz kommen. In der Schweiz verwende ich die schweizer Landeskarten (es gibt kein besseres Kartenblatt!), in Österreich die Alpenvereinskarten mit Wander- oder Skitourenmarkierung.
Thomas Glaab (Sonntag, 15 November 2020 17:14)
Hallo,
sehr schöne Beschreibung, tolle Tour. Darf ich fragen welche Tour Arbengrat oder Rothorngrat du bevorzugen würdest, wenn du nur eine Tour zur Auswahl hättest?
Vielen Dank und Schöne Grüße
Thomas
Patricia (Montag, 16 November 2020 17:00)
Hallo Thomas
Ich muss ein wenig schmunzeln, wenn ich meine Tourenberichte nach so langer Zeit (immerhin von 2012) zu Gesicht bekomme :-) Zu deiner Frage: Beide Touren sind grossartig, aber der Felsgrat auf das Zinalrothorn (Rothorngrat) ausgesprochen fantastisch. Man findet kaum einen vergleichbaren Felsgrat in dieser Höhe mit dieser Schwierigkeit und diesem bombenfesten Gestein. Ich würde die Tour mit dem Abstieg über den Nordgrat komplettieren.