Der Bristen - DIE Augenweide beim Befahren der Gotthardautobahn zwischen Flüelen und Amsteg! Ein majestätischer Koloss, der vom Talgrund 2550m in die Höhe ragt und durch 4 prachtvolle, ebenmässige Grate pyramidenartig geformt wird. Ein richtiger Berg eben.
Zwei dieser langen Blockgrate haben wir als Anstiegs- und Abstiegsweg auserkoren. Den weglosen NW-Grat für den Aufstieg, den vielbegangenen und mit Steinmännern, Trittspuren und fast schon an einen Weg erinnernden NO-Grat zum Hinunterkommen. Beide Grate sind in etwa gleich von den Anforderungen an Trittsicherheit, Kraxln in brüchigem Blockgelände und steilen Schrofenflanken, immens lang und kräftezehrend.
Doch am beeindruckensten war für uns der brutale Tiefblick! Da der Anstiegsweg von Beginn an ab Bristen steil nach oben zieht, gewinnt man mit jedem Schritt enorm an Höhe. Richtig wahr nimmt man diese Tatsache besonders oberhalb des Bristensees. Die steilen Schuttflanken katapultieren uns förmlich Richtung Himmel, ein Blick zurück nach 20 Minuten lässt den Atem stocken: die kleine Hütte am See ist nur noch winzig auszumachen! Dafür erhebt sich der lange Schutt- und Blockgrat vor uns endlos in den Himmel.
Der Puls bleibt konstant hoch, die Oberschenkel saugts nur so aus, dass ab dem Bristensee gerademal die Hälfte bewältigt ist, will der Kopf nicht wahrhaben. Zu sehr erschöpft erreicht man nach steilen Serpentinen den Rastpunkt. Und nun hier heroben am Grat, umgeben von der saugenden Tiefe, die physische Verfassung wird nicht besser. Dafür nehme ich die schwindende Power weniger wahr, die anregende Kraxelei mit der Suche nach dem besten Anstiegsweg lässt alle Gedanken an die Aufstiegsmühen schlagartig verschwinden. Ich tauche ein in mein Element aus groben, farbenreichen Gneisblöcken, dazwischen bunte Blümchen, die sich ab und an in den steilen sonnigen Flanken ihr Dasein erarbeitet haben. Umgeben vom blauen Himmel, den wärmenden Sonnenstrahlen, viel Luft unter den Sohlen und vorallem Stille. Nur unser Schnaufen und Ventilieren. Und der Ausblick auf die grandiose 3000er Szenerie des Maderanertalschlusses sowie der auf der anderen Seite der Gotthardautobahn sich auftürmenden Giganten Krönten, Spannort und Co.
Schliesslich mündet unser NW-Grat in den NO-Grat ein, das urige Gipfelkreuz zeichnet sich am Himmel ab. Wir haben es bald geschafft. Eine Familie mit 2 kleinen Kindern passiert uns, Respekt und Hochachtung, die 2300Hm aus dem Maderanertal mit der T5-Wanderei am NO-Grat wollen erstmal bewältigt werden! Und oben am Gipfel die zweite Familie, diesmal mit bereits etwas älteren Kindern!
Ich kann mich kaum vom breiten Gipfel des Bristen lösen, zu schön und überwältigend der Tiefblick und die Rundumsicht. Selten habe ich bisher einen so prachtvollen Ausblick von einem gerademal 3000m hohen Berg erlebt. Der Bristen ist schon irgendwie einzigartig!
Der Abstieg über den NO-Grat gestaltet sich kurzweilig, die Abstiegsspur ist recht gut ausfindig zu machen. Konzentration ist zwar nochmals gefragt, doch der Grat ist weitaus abgekletterter und ausgetretener als der NW-Grat, was ein zügiges Vorankommen ermöglicht. Zum Schluss erheitert uns noch der Schnellabstieg auf einem alten Schneefeld, bevor wir beim Bristensee die Getränkeflaschen nochmals mit Wasser füllen. In dem kleinen Hüttl dort, sowie auch beim Bristenstäfeli, gibt es Getränke zu erwerben, das nächste Mal vergesse ich sicher nicht aufs Münzgeld.
Zwei weitere Bristenbesteiger hängen sich uns beim anschliessenden Downhill bis zum Bristenstäfeli an, zu Viert torkeln wir schnellen Schrittes Richtung Tal, der Muskelkater des morgigen Tages kündigt sich bereits lauthals an. Alles andere als rund und geschmeidig gehts weiter über den extra steilen Waldabschnitt, bevor leichteres Gelände und schliesslich die breite Naturstrasse hinunter zur Golzeren Talstation führt.
Ein Blick zurück bei der Heimfahrt lässt die Müdigkeit in den Haxn, die mit 20km und vielen, steilen Höhenmetern gepeinigt wurden, kurzzeitig vergessen, dafür stellt sich dieses wohlige Gefühl ein, dass nach einer so ausgiebigen Tour Körper und Geist erfüllt.
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