Ein zweites Kalymnos wurde über die Region rund um Leonidio ausgerufen, in jedem Klettermagazin ein Artikel mit verlockenden Beschreibungen und ansprechenden Fotos. Was ist nun dran am Hype um Leonidio? Harry und ich wollten der Sache auf den Grund gehen und uns eine eigene Meinung bilden, also Flieger nach Athen gebucht und auf ging es am 8.11.2014...
Gleich vorweg, die Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit der Griechen rund um Leonidio, sowie das schmackhafte Essen in den wenigen Restaurants überzeugte uns gewaltig. Dort fühlst du dich als Kletterer noch willkommen, Menschen winken freundlich am Strassenrand, Hupen und schenken dir frisch gepflückte Mandarinen und Orangen von den zu dieser Jahreszeit zahlreich tragenden Bäumen auf den Plantagen. Die Menschen zeigen Interesse an dir und deiner Herkunft, fragen wie du auf das kleine Nest Leonidio aufmerksam geworden bist, wie es dir gefällt. Mit wenigen Brocken Englisch, hauptsächlich mit Gestik und Mimik wird dir vermittelt, dass du erwünscht bist. Dazu eine kleine Anekdote: Ein knorriger alter Mann mit freundlichem Gesichtsausdruck steht vom Nachbarstisch auf, richtet seinen Finger auf Harry und frägt mit rauchiger Stimme: "You Tourist?". Ein Lächeln breitet sich aus, er zeigt auf sich, schlägt auf seine Brust: "Greek!". Wir sagen ihm, dass wir Klettern. Dann faselt er weiter in Griechisch, wir verstehen nur Bahnhof, aber an seiner Mimik und Gestik lässt es sich unschwer erkennen, dass er glücklich ist, dass wir hier sind.
Wir erhalten einen Gratis-Kletterführer von unserer Unterkunft "Akroktima", die vollends empfohlen werden kann. Kleine, gepflegte Steinhäuser mit Sonnenterrasse zum Frühstücken, kleiner Küche, Kamin, für 2-3 Personen, zwischen Leonidio und Plaka gelegen. Morgens um halb neun steht ein Korb frisch gefüllt mit Köstlichkeiten vor der Haustüre. Süsses, Salziges, Honig, Marmelade, Brot, Eier, Orangen, alles aus eigenem Anbau. Da darf das Frühstück ruhig mal länger ausfallen...
Leonidio ist klein und überschaubar, mit den wenigen Kletterern kommt man gleich ins Gespräch, wenn nicht schon am Felsen, dann spätestens beim Bier oder Frappé nach dem Klettern in der Bar "Red Rock". Familiär ist wohl der treffenste Ausdruck, was das Klettern in Leonidio beschreibt. Wir lernen Ernst und Evelyne aus Wien kennen, kommen in Kontakt mit einer Gruppe schweizer Burschen, treffen auf etliche bekannte Tiroler Gesichter und lernen schliesslich noch drei österreichische Originale mit viel Schmä kennen, mit denen wir am Fels, beim Après-Bier und beim allabendlichen Essengehen unseren Spass haben werden.
Und was ist nun mit dem Klettern, dem eigentlichen Grund unserer Reise? Ein heisses Thema...
Wir sind grossartige Routen geklettert und weniger grossartige. Manchmal ist es am Fels gelegen, manchmal an der Absicherung. Dass der ein oder andere Griff und Tritt noch ausbrechen kann, versteht sich von selbst bei der Neuheit der Routen. Der Fels ist leider nicht in allen Sektoren von bester Güte, viel Putzarbeit war und ist nötig, die zum Teil anscheinend den Kletterern selbst überlassen wurde. Nach dem Motto, die Routen werden sich schon von selbst ausräumen bei genügend hoher Bekletterungsfrequenz. Das macht allerdings keinen Spass und ist zudem auch noch sau gefährlich. Nach der Schönheitsbewertung im neu erschienenen Griechenlandführer sollte man sich demnach nicht richten. Diese scheint eher als Prognose, wenn denn die Route in 5 Jahren mal abgeklettert sein sollte.
Ein weiterer Negativpunkt ist die teilweise eher unprofessionelle Absicherung. Es mangelt zwar nirgends an Bolts, doch stecken diese in gewissen Routen und Sektoren einfach an sinnloser Stelle. Oder Sektoren wurden nur halbherzig erschlossen, wie in Elona, einem westseitig ausgerichteten Felsriegel aus 60m langen Sinterfahnen mit 2minütigem Zustieg. Leider reicht das Spektrum der Routen momentan nur von 7c aufwärts, dabei würden sich viele Sinter eignen für leichtere Routen, wenn denn ein Zwischenstand eingerichtet werden würde oder diese eigens eingebohrt würden. Die zahlreichen einzelnen Karabiner und Maillons in den wenigen Routen sprechen Bände...
Insgesamt gibt es noch recht wenig Angebot an Sektoren mit qualitativ hochwertigen Routen im mittleren Schwierigkeitsgrad, entweder die Sektoren sprechen nur die Hardmover an oder nur Genusskletterer. Daher wundert es nicht, dass sich im "Hot Rock" die "Massen" tummeln. "Twin Caves" überzeugt momentan wohl noch am ehesten mit einem Gebiet für ALLE, links flache, leichtere Routen, rechts Sintergepumpe in den höheren Schwierigkeitsgraden. "Elona" hat Potenzial, das bei weitem noch nicht ausgeschöpft wurde, ebenso "Cave of Pangia", dessen oberer Sektor ein Highlight werden könnte. Damit "Hada" wirklich salonfähig wird, bedarf es viel Putzarbeit, da der rötlich braune Fels eher brüchig ist. Doch auch dort warten noch Kinglines auf ihre Erschliessung und die Lage des Sektors in der Schlucht mit ostseitiger Ausrichtung macht ihn besonders attraktiv.
Leonidio ist sicherlich nicht mit Kalymnos zu vergleichen, der Hype wurde definitiv zu früh losgetreten. Wir hoffen sehr, dass das Potenzial von den kommenden Bohrtrupps erkannt wird, Sektoren professionell nach Standards erschlossen werden, Routen ordentlich gesäubert und teilweise bestehende Sektoren/Routen überarbeitet werden. Denn nur dann wird Leonidio am grossen Kletterfirnament erscheinen, der Bevölkerung sei es gegönnt und wir wünschen ihr es auch von Herzen, dass sich Leonidio etablieren wird als Kletterdestination. Vielleicht auch in Kombination mit Kyparissi, wenn die Strasse dorthin eröffnen wird. Doch die Zukunft entscheidet sich jetzt, wenn Meinungsbildner das neue Gebiet besuchen und darüber berichten. Die Erwartungen wurden durch den Vergleich mit Kalymnos extrem hoch gepusht...
Sektor "TWIN CAVES"
Sektor Balcony
Sektoren Adrspach Wall, Elona, Maison des Chèvres, Pangia
Sektor HADA
Sektor Hot Rock und Hospital
Der Sektor Limeri ist schattig, doch leider noch extrem scharf und auch sack-schwer. Balcony ebenfalls extrem scharf, da fühlt es sich bei den meisten Routen an, als ob es ein First Ascent wäre. Panorama eignet sich für sonnig-warme Tage, da schattig gelegen und etwas höher. Berliner Mauer/Kindergarten schaut eher unspektakulär aus, Red Rock fühlt sich an wie Tonerde, irgendwie ungut.
Weitere Infos:
- Restaurant: das Beste ist in Poulithra, gleich links nach dem Ortseingang, auch gut die Speisen in der Pizzeria in Leonidio (Ortsmitte), einfache traditionelle Küche und günstig im Metropolis
- Treffpunkt der Kletterer: Café Red Rock (gratis Wlan)
- Unterkunft: Hotel Hatzipanayiotis in Leonidio oder Appartments Agroktima Richtung Plaka
- Kletterführer gibts überall vor Ort in den Restaurants, Unterkunft,...
- Routentipps zwischen 6a und 7b+: Bonobo und Tsibouri ext. im Twin Caves, Troufa und Skylisia Apodrasi im HADA, Fuck 88 und Efharisto im Hospital, im Sektor Hot Rock ist fast alles gut, im Balcony Epistegasma, in der Adrspach Wall schöne kurze Routen
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christof (Montag, 24 November 2014 19:51)
genau so habe ich leonidio auch empfunden!!! toller bericht und irgendwie treffend auf den punkt gebracht... bravo.
gruss christof
Hardy (Dienstag, 09 Dezember 2014 11:29)
DANKE für diesen Tollen Bericht!!