Die Urner Niedermann-Touren...erstklassiger Fels ist garantiert und eine klassische Linienführung inklusive. Verschneidungen, Risse, Piazen, Stemmen, das volle Programm wird abgefragt, dabei greift die Hand grösstenteils an verschwenderisch griffigen Fels, die Füsse haften auf den rauhen Granitkörnern wie mit Uhukleber befestigt. Ein Traum jeden Kletterers, dazu die tolle hochalpine Landschaft. Klettern am Furka ist und bleibt jedes Jahr ein Highlight der Saison, definitiv. Zumal die Chancen auf stahlblauen Himmel und warme Temperaturen dort oben rar sind. Kurzum: ein perfektes Tagl mit Lilian, das noch lange ein Smiley ins Gesicht zaubern wird!
Infos zur Route:
Um diese Jahreszeit können die Steigeisen noch getrost im Keller bleiben, die Überreste des Gletschers sind noch mächtig eingeschneit, der Schnee weich, mit guten Schuhen lassen sich auch zum Schluss im 40° steilen Gelände prima Tritte schlagen, Stöcke oder ein Leichtpickel genügen.
Je nach Schneehöhe und Gletscherstand ist der Übertritt an den Fels nicht ganz easy. Bei uns konnte man recht einfach auf ein Band hinabsteigen in der Randkluft, dort Kletterschuhe anziehen, anseilen, Bergschuhe und Rucksäcke deponieren. Danach ging es am leichtesten über links nach rechts zum eigentlichen grossen Anziehplatz beim aufgemalten Uristier unter einem markanten Dach.
Die Route wurde 2005 saniert, was heisst, dass die Stände mit 2 Bohrhaken ausgestattet wurden und in den Seillängen einiges an Bohrhaken anzutreffen ist. Wer den Schwierigkeitsgrad drauf hat, benötigt nur eine kleine Auswahl an Camalots (0,3-0,75), da an den schweren Stellen Bohrhaken anzutreffen sind und sonst auch viele wegweisende angebracht wurden. Zusätzlich steckt auch noch hie und da eine brauchbare Rostgurke, die Holzkeile sind leider nur noch Relikt. Sicherheitsbewusste können viel selbst legen, vorausgesetzt, man hat die Power dazu. Der Schwierigkeitsgrad bleibt aber trotz der Sanierung obligat zu klettern, da die Bohrhaken nicht unbedingt immer geschickt platziert wurden.
Die Route ist offensichtlich, leicht zu finden. Die Abseilerei allerdings bedarf einiges an Vorsicht und vorausschauendes Handeln. Seilklemmer sind sonst vorprogrammiert und etwas Glück gehört halt doch auch immer noch dazu. Wir seilten 4x über die Nolens-Volens ab, dann über die bereits bekannte Nierdermann. Mit 50m Doppelseil reicht der 4. Abseiler gerade nicht (2m zu wenig), aber das Gelände ist easy (Gehgelände). Vom Stand vor der 45m Verschneidung der Niedermann kann man dann in die Randkluft abseilen, Schuhe wechseln, Rucksack aufschnallen und gleich weiter abseilen über das steile Schneefeld.
Persönliche Anmerkung:
Auf den Spuren Niedermanns...einem tollen Felsakrobaten. Schade, dass die Alpinklassiker dem Plaisir-Mainstream immer wieder zum Opfer fallen. Niedermann selbst hat nichts gegen eine sanfte Sanierung, die dem heutigen Standard und Sicherheitsempfinden der Klettergemeinde entspricht. Doch was heisst "sanft"? Nach meinem Verständnis hiesse dies, dass die Stände mit 2 soliden Bolts/Klebehaken ausgestattet werden um einen Seilschaftsabsturz zu vermeiden. Des Weiteren sind einzelne Bohrhaken an schlecht absicherbaren und neuralgischen Punkten wünschenswert, doch sollten sie keinesfalls den Charakter der Route gänzlich verändern.
In der Niedermann ist dies nur mässig gelungen, Die Stände sind zwar top, doch viele Bohrhaken überflüssig oder schlecht platziert. Was bringen 2BH auf 5m, wenn der erste noch in Bodennähe, der 2. aber oberhalb der Crux platziert wird? Warum nicht nur einen am richtigen Platz?!? Für meinen Geschmack glänzt zu viel Metall, als dass man es "sanft" bezeichnen könnte, etwas kletterhandwerkliches Geschick und Können, eine gute Portion Selbsteinschätzung und Routenfindungsskills sollten auch noch in der heutigen Zeit wichtige Parameter bleiben, um safe, mit Freude und Respekt vor den Erstbegehern durch einen Alpinklassiker zu kommen, oder etwa nicht?
Die 6+ Seillängen sind kräftezehrend, da ungewöhnliche Kletterei in Rissverschneidungen, kleinen Kaminen und Piazen an Rissen gefragt ist. Natürlich bin ich erleichtert, wenn dann mal wieder ein glänzendes Metall geklingt ist, denn selber legen in Piazrissen ist mega anstrengend. Doch ist der Weg nicht (mal wieder) das Ziel? Der Entwicklungsprozess, die vielen erlebnisreichen Touren mit lieben Seilpartnern, die einem grösseren Alpinabenteuer vorgeschaltet sein sollten? Wer diesen Reifeprozess nicht durchwandern möchte, der lebt entweder riskant oder sucht sich besser andere Disziplinen. Aber soll bitte nicht fordern, dass alles á la Mainstream in den "freien" Bergen eingerichtet werden soll.
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