Schon sehr sehr lange schwirrt diese Anstiegsmöglichkeit via Guppengrat auf das knapp die 3000er Marke verpassende Vrenelisgärtli in meinem Kopf herum. Doch die Glarner Alpen, obwohl nicht weit entfernt, liegen dann doch meistens nicht in meinem Aktionsradius, zu unrecht. Denn sie versprühen trotz imDurchschnitt eher geringerer Höhe einen ganz eigenen Charme. Gebänderte Berge, die nordseitig steile und abweisende Wände zu Tal richten, dazwischen mit grünen und lieblich blühenden Wiesen einen Farbkontrast hervorrufen. Die Schroffheit der mächtigen Erhebungen wird noch durch das Flach- und Hügelland im Norden verstärkt, steht man oben am Vrenelisgärtli schaut man unweigerlich staunend auf die Züriebene hinab.
Wenn man alleine loszieht in die Berge und die vielbegangenen Normalwege verlässt, gehört immer eine gewisse Portion Mut und Antrieb dazu. Mal mehr, mal weniger, je nach Tagesziel. Der Guppengrat gehört von seinen technischen Schwierigkeiten laut Papier eher zu den anspruchsvolleren Zielen, ein T6-Anstieg. Doch in Wirklichkeit entpuppt er sich als vielbegangener "Wanderweg", Wegspuren sind durchgängig leicht zu erkennen. Die Rasentritte durch die Blumenwiesen zwischen den Kalkschrofen sind gut und gross ausgeprägt, im felsigen Abschnitt weisen eine Vielzahl von Steinmännern den Weg. Und selbst der obere Teil, der eigentliche Guppengrat nach dem Chanzele, ist dann weniger steil und leichter als er auf den ersten Blick erscheinen mag.
Doch es bleibt weiterhin anzumerken, dass der Guppengrat wegen der leichteren Wegfindung nicht unterschätzt werden darf. Es gäbe genügend Stellen an denen ein falscher Tritt u.U. das Ende bedeuten würde!
Um 9Uhr an einem spätsommerlichen Prachtstag starte ich also in mein kleines Abenteuer. Tau liegt auf der Wiese, die Sonnenstrahlen spenden willkommene Wärme auf der Haut in den noch recht frischen Temperaturen. Stetig, aber nicht hastig, steige ich zur Guppenalp auf, von wo das Panorama so langsam zu wachsen beginnt. Das schroffe und steile Gelände des Vrenelisgärtli zu Füssen. Ich begegne keiner Menschenseele, Ruhe und Stille begleiten mich. Meine Sinne sind geschärft, beschränken sich aufs Wesentliche, die Wahrnehmung der Natur um mich herum: Das Surren der Bienen und Fliegen in den reichlich und farbenprächtig bestückten Blumenwiesen, das periphere Sehen scannt die Umgebung unbewusst nach Trittspuren, so dass ich nie anhalten muss. Ich spüre den angenehm schwachen Wind auf meiner Haut, wie er leichte Kühlung durch die Schweisstropfen erreicht. Ich fühle den Untergrund, fühle den satten Halt der Trailschuhe im steilen Gras, taste die grobe Körnung des wechselnden Gesteins, mal klassischer Hochgebirgskalk, mal eine Mischung, die sich wie Sandstein anfühlt und schöne Ablagerungen aufweist. In diesem Moment, während den 3 Stunden des Anstiegs, habe ich keine Gedanken. Ich lebe in diesem Moment, vergessen das Alltägliche und Weltliche, nur die bezaubernde Natur erfüllt mich mit Glückseeligkeit, aber auch einer gewissen Angespanntheit und Fokussiertheit, die erst nachlässt. als ich das Gipfelkreuz abklatsche.
Ich sitze allein am so oft übervölkerten Vrenelisgärtli, unbeschreiblich, ein perfekter Tag umgibt mich, mit klarer Sicht und angenehmen Temperaturen. Ich muss noch nicht mal mein verschwitztes Shirt umziehen, ich bleibe einfach nur sitzen und geniesse. Auftanken für die Seele, auftanken für den Abstieg, der noch um einiges mehr an Konzentration und Aufmerksamkeit verlangt.
Infos zur Tour
Wegbeschreibung
Von Schwändi (mit ÖV erreichbar, im Zentrum hat es kostenlose Parkplätze) auf bezeichnetem Weg zur Guppenalp. Von dort über den Steig weiter bis zum Heuberg, wo man den Steig kurz vor einem grossen Block in nördliche Richtung verlässt. Steinmänner und Wegspuren, sowie eine weisse Markierung sind ab da ersichtlich. Wenn du keine Wegspuren mehr findest, bist du falsch! Über die schrofigen Blumenwiesen hinauf ins linke Ende des Geröllfeldes und recht steil über Schrofen hinauf auf den Kamm, der im Prinzip immer Wegspuren im Verlauf aufweist. Mal kurze Kraxlstellen, mal Geröll, mal Rasentritte, bis man unterhalb des markanten Turmes in die grosse Rinne links davon gelangt. Dort bei Skistockmarkierung nach links den Spuren folgen über die sehr steilen Grasschrofenhänge hinauf, bis man zum Schluss an eine weisse, 3m grosse Kalkplatte gelangt, die einfach mittels Reibung und 2 Rissen überstiegen wird (III-). Im weiteren Verlauf den Steinmännern folgend, bis zum grossen karstartigen Plateau, von wo das Chänzeli und der bereits stark abgeschmolzene Gletscher auftaucht. Über ein Schneefeld zur Rinne nördlich des Chanzle, an geeigneter Stelle über die Randkluft (heikel) und in dieser in brüchigem Gelände in leichter Kletterei (heikel) hinauf, bis schliesslich Trittspuren hinausleiten. Der Guppengrat in voller Grösse steilt sich nun vor einem auf. Der Fels ist grösstenteils recht fest und griffig, mehr als der II Schwierigkeitsgrad wird nie erreicht. Erst zum Schluss wirds recht bröselig, dafür aber flacher.
Abstieg über den Schwandergrat (Normalweg) zum Klöntalersee oder wieder auf der Anstiegsroute hinab.
2200Hm, 15km (hin-und retour)
ich habe 3h für den Anstieg und 21/2 für den Abstieg gebraucht (inkl. Pausen und Wegfindung). Die Crux war heute die Randkluft und die anschliessende brüchig-erdige Rinne. Dafür waren keine Steigeisen und Pickel nötig. Alles in Trailrunningschuhen mit super Profil.
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