Fresh Powder im Ticino. Also nichts wie hin. Allerdings entschieden wir uns bereits zu Hause für eine defensive Skitourenauswahl, nach der ewigen Schönwetterperiode mit Oberflächenreifbildung und einem Batzen Neuschnee, der unter regem Windeinfluss gefallen war, sicherlich eine berechtigte Überlegung. Dass es dann vor Ort anders aussah als vermutet, liess uns schliesslich doch nicht von unserem Plan abbringen, wir wollten lieber Sonne geniessen, als stundenlang im Schatten dahinkrebsen. Auch wenn powdertechnisch die Darkside des Bedrettos vielversprechender aussah.
Plaudernd und mit nur leichtem Höhengewinn gehts über die Nufenenpassstrasse dahin, die Hänge zur Rechten schauen wenig einladend aus, die Hänge zur Linken sind zwar weiss, aber teilweise recht mit Triebschneepaketen gefüllt. Wir steuern Richtung Sonne, die uns bei Ciuréi di Mezzo empfängt. Noch immer liegt wenig Schnee auf der Südseite, Kuppen liegen frei, Steine ziieren den Weg. Zielstrebig steuern wir ins Valle della Prosa, einem verspielten Gelände, das viel Freiraum für die eigene Spuranlage bietet. Ohnehin finden wir keine Spur vor, einsam und verlassen ist der hinterste Winkel des Bedretto Süd. Die Skitürler drängen sich alle vorne bei All Acqua um die Firstlines.
Wir aber finden hier hinten zwar nicht den erhofften massiven Powder, dafür Ruhe und friedliche Atmosphäre. Eine Wohltat in der hektischen Vorweihnachtszeit. Abwechselnd ziehen wir unser Spurmuster in den Neuschnee, umgehen kleine Hügel, schlängeln uns zwischen Mulden und Anhöhen entlang. Das Auge verfängt sich minutenlang beim Studium der Forcella Südwand. Es sucht nach kletterbaren Linien und interessanten Formationen. Aber auch linkerhand wird einiges geboten, der gestufte Südgrat auf den Pizzo Nero zieht ebenfalls unsere Blicke auf sich.
Letztes Mal mussten wir noch unterhalb der Sidelenlücke umdrehen, der steile Anstieg auf die Scharte war zu den damaligen Verhältnissen nicht als safe zu bezeichnen. Diesmal ist der Hang zwar wieder nicht von ganz unbesorgniserregenden Qualität, aber durchaus akzeptabel. Als es zu mühsam wird mit den Ski zu gehen, deponieren wir sie an geeigneter Stelle im Schnee und stapfen weiter bergan, zunächst am linken Rand der Rinne, die von Felsen begrenzt wird, später auf dem Rücken über Felsblöcke, mal tiefen Schnee, mal Eisplatten querend. Nach dem ersten Aufschwung erblicken wir den Gipfelkopf, der uns ein weiteres Mal den Zugang zum höchsten Punkt versperren wird. Ohne Steigeisen und Pickel keine Option. Schade.
Es ist bereits 14 Uhr, die Sonne wirft tiefe Schatten, die Stimmung hier oben ist unbeschreiblich. Wir geniessen die Sonne, den Ausblick, die absolute Stille, die fast unglaublich ist. Sonst hört man doch immer irgendein Geräusch? Aber heut? Nichts. Niente. Balsam für die Seele.
In der Abfahrt manövrieren wir zwischen Steinen hindurch und suchen die Mulden, welche mit Powder gefüllt sind. Wir zeichnen mit unseren Schwüngen schöne Muster in den Schnee, eine letzte sonnige Pause, bevor der dunkle Schatten und Talgrund uns wieder einverleibt.
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