Der Mont Blanc. Mit 4808m der höchste Punkt der Alpen und von Chamonix aus auch die längste Skitour in einem Rutsch. Wenn Mont Blanc, dann wollte ich diesen schon immer von unten angehen by fairmeans. Doch 3700Hm bei 30km Wegstrecke wollen erstmal bewältigt werden...
Jetzt oder nie. Die Auffahrtstage versprachen optimale Verhältnisse, nur leider fehlte uns die vorherige Akklimatisation. Egal, wir versuchen es.
Um 3:10Uhr starten wir in die warme klare Nacht beim Parkplatz des Tunnelportals, unsere Ski und Schuhe auf dem Rucksack tragend, nur das Nötigste im Gepäck und auf Gewicht getrimmt. Bei der Schneegrenze auf ca.2100m legen wir unser Schuhdepot an, ebenfalls wandert eine Wasserflasche unter den Felsblock. Mal tragend, mal gehend, erreichen wir die alte Seilbahnstation, von wo kurz oberhalb die Traverse zum Gletscher beginnt, Steigeisen sind Pflicht, die Spur ist eisig und ein Fehltritt würde fatal enden.
Am Gletscher endlich gemütliches Schlürfen Schritt für Schritt, die umgebenden Eisbrüche formen bizarre Strukturen, die im Morgenlicht ihre bedrohliche Wirkung umso mehr zur Geldzung bringen. Im Tal unten brennt noch Licht, aber im Osten hat sich der Himmel bereits gelb-rot verfärbt. Wir kommen gut vorwärts, lediglich der Übergang in der Jonction zum Skihang unterhalb der Grands Mulets Hütte hält uns kurz auf. Der Pickel muss raus, die Ski auf den Rucksack, auch wenn es nur für 1m ist!
Wir wählen die Aufstiegsroute über Petit und Grand Plateau, welche zeit- und kraftsparend wirkt gegenüber der langen Tragepassage direkt über den Nordgrat des Dome du Gouter. Immernoch geht es uns prächtig, wir sind motiviert und geniessen das atemnberaubende Gletscherpanorama, welches sich uns auftut. DieAiguille du Midi wirkt noch immer riessig, der Gipfel des Mont Blanc noch in weiter Ferne.
Ab dem Grand Plateau macht sich schliesslich unsere fehlende Akklimatisation bemerkbar. Schlagartig verlieren wir an Leistungsfähigkeit, der Kopf beginnt zu dröhnen und auch eine leichte Übelkeit setzt ein. Die ausgiebige Rast verleiht zwar kurzzeitig nochmals einen Energieschub, das Vallotbiwak erreichen wir aber nur mühsam und hinter unserem Zeitplan. Ab hier heisst es abermals Ski aufschnallen, Steigeisen an und Schritt für Schritt in kleinen Etappen denken. Eine gefühlte Ewigkeit torkeln wir im Everesttempo der Autobahn hinterher. Zum Glück sind fast alle Mont Blanc Anwärter bereits bei der Abfahrt über die Nordflanke oder auf dem Gipfel, so dass wir ohne Ausweichmanöver in unserem Tempo jeden einzelnen der tausend Aufschwünge meistern können.
Noch nie habe ich vorher die Höhe in dieser Form gespürt. Akute Höhenkrankheit. Lebensgefährlich. Im Bewusstsein dessen haben wir schon gezweifelt, ob wir weitergehen sollen, doch so kurz vorm Ziel aufgeben? Und mit Ski ist man dann doch schnell wieder unten...Schwindel, Übelkeit und massive Kopfschmerzen begleiteten uns also auf den letzen 1,5h zum Gipfel und ich bin beeindruckt, wie sehr die Sauerstoffarmut den Kopf und Verstand benebelte. Nur bei voller Konzentration konnten wir Schritt vor Schritt setzen ohne zu Taumeln, immer wieder mussten wir uns hinknien und rasten und am Gipfel selbst dauerte das Umsattel auf Ski gefühlte Stunden. Gipfelgenuss? Weit gefehlt! Nur noch hinab! Und zwar so schnell wie irgend möglich!
Mit total erschöpften Körpern die eisige Nordflanke des Mont Blanc irgendwie zu meistern, das war jetzt der nächste Schritt. Von Eleganz und Abfahrtsgenuss weit entfernt. Weiter immmer weiter, hinab, hinab, hinab. Die erste wirkliche Pause gönnten wir uns auch erst wieder auf Höhe der Grands Mulets Hütte, bis dorthin war es schlichtweg ein skifahrerischer Krampf für mich mit meinen schmalen Stixi-Wettkampfschi. Dass es mittlerweile schon Nachmittag war und die Jonction sicherlich aufgeweicht und heikler sein würde, nahmen wir in Kauf. Das Seil blieb abermals im Rucksack, der Faktor Zeit überwiegte das Sicherheitsempfinden für diesen Moment.
Ein Schuhdepot sollte immer gut auffindbar angelegt werden. Doch im Dunkeln schaut die Welt dann doch anders aus und es kostete uns einiges an Zeit, das Sackerl mit den Schuhen wieder aufzufinden. Froh um das deponierte Wasser, das kurze Shirt und die weichen Turnschuhe polterten wir die verbleibenden 800Hm zurück zum Auto, welches wir erst um 18:45h erreichten. Wow, diese Tour hat definitiv alles in den Schatten gestellt, was ich bisher gemacht hatte. Noch nie sind wir dermassen an unser körperliches und psychisches Limit gestossen. Beeindruckend diese Erfahrung!
Facts:
Tunnelportal bis Mont Blanc Gipfel: 10:45h
Gesamt: 15:35h
3700Hm, 31km
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Florian (Mittwoch, 31 Mai 2017 06:41)
Gratuliere zu der gewaltigen Leistung und den schönen Bedingungen!
Nur unter die Überschrift "gesundes" Wandern passt's nimmer. ;)
Warum die Schmerzen und das doch beträchtliche Risiko eines echten Höhenproblems?