Die Chance am Schopf packen...jetzt oder nie, soviel stand fest. Andrea hatte mir ein Foto mit dem Hörnligrat geschickt, topaktuell, alles ohne Schnee, der ganze Grat wäre zur Zeit ohne Steigeisen möglich. Also perfekte Verhältnisse um das Matterhorn im Skyrunningstil anzugehen.
Somit finden wir uns gegen Mitternacht im Parkterminal Täsch wieder, der uns für 2 Stunden mehr schlecht als recht als Nächtigungsstätte dienen muss. Mit dem Zug um 3Uhr mitten in der stockfinsteren Nacht pendeln wir nach Zermatt hinauf. Durch die ungewohnt leeren Gassen rennen wir den ersten Kilometer, bevor wir auf den Wanderweg einbiegen, der uns zum Schwarzsee hinaufbringt. Noch läuft der Körper eher eckig als rund, doch die Motivation und Vorfreude siegt letztendlich und selbst ein paar Regentropfen können unseren Eifer kaum Einhalt gebieten.
Als wir um eine Serpentine biegen, erhellt uns plötzlich ein Stirnlampenlicht. Ein weiterer Skyrunner ist im Anmarsch, der uns allerdings zügig überholt und auch schon bald völlig aus unseren Augen verschwindet. Erst hoch oben am Grat, auf Höhe der Eseltritte, werden wir ihm (bereits im Abstieg befindlich) wieder begegnen. Es ist der Zermatter Andreas Steindl, kein Wunder also, dass der Typ an uns wie eine Rakete vorbeigeschossen ist...
Noch immer ist es irgendwie finster, dicke Wolken umhüllen die hohen Berge und wir zweifeln am Wetterbericht. Wäre ja nicht das erste Mal, dass er schlichtweg nicht passt. Nach fast 2:45h erreichen wir bereits die Hörnlihütte und freuen uns über den Stopp. Lange Hose, langes Shirt, Windjacke und Haube wandern an unsere etwas ausgekühlten Körper, mir klappern sogar die Zähne. 2 Bergsteiger schlummern noch im Winterraum der Hörnlihütte, ihnen war es zu windig um aufzubrechen. Na das sind ja mal keine tollen News.
Der Einstieg über die Fixseile beginnt keine 5 Minuten entfernt von der Hörnlihütte, es kann also losgehen mit unserem epic adventure!
Im Hellen finden wir den Anstieg auf Anhieb, Wegspuren leiten über griffige Felsstufen, ab und zu verirrt sich auch eine Markierung am Anfang bis zum ersten grossen Turm, wo man den Grat betritt. 100%ige Konzentration vom Einstieg in den Grat bei der Gedenktafel bis zum Gipfelkreuz und wieder hinunter bis zur Hörnlihütte. Die Anspannung darf tatsächlich keine Sekunde der Entspannung Platz machen. Die Kletterei ist nie wirklich schwierig, es ist folglich mehr eine Art Treppensteigen unter Gebrauch der Hände ab und an. Aber dieses lange Aufrechterhalten der Konzentration macht eben die Crux am Hörnligrat aus...
Sich flüssig fortbewegen, höhersteigen mit möglichst wenig Kraftaufwand, ich liebe dieses Terrain am Matterhorn. Eigentlich rollt kein Steinchen, wenn man penibel der besten Route folgt, griffig abgegriffener und ausgeräumter Fels in allen Farben und Formen. Immer günstig geschichtet zum Klettern. Herrlich, ich fühle mich in meinem Element. Wenn da nur die Höhe nicht wäre...So langsam macht sich Kopfweh breit und wir nutzen das Solvay-Biwak als willkommenen Pauseplatz in der Sonne, um Energie nachzutanken. Welch Dramen sich hier oben schon abgespielt haben, das kann man sich nur ausmalen, spannend wäre, wenn die Unterstandsschachtel da oben am Grat, die gerade mal die Hälfte markiert, sprechen könnte!
Nach dem Biwak wird das Gelände zunehmend offensichtlicher von der Routenfindung und wir kommen nochmals gut vorwärts. 3 Seilschaften passieren uns mit viel Gerumpel und Steinschlag, zum Glück fliegen die teilweise kühlschrankgrossen Brocken in die Ostwand hinab. Danach wird es wieder friedlich und ruhig, die Fixseile beginnen und leiten in teilweise recht steilem Gelände bis zum Gipfelaufbau. Wolkenfetzen schwirren um uns herum, just in dem Moment, wo wir den italienischen Gipfel betreten, lichten sie sich und wir dürfen ein paar Sonnenstrahlen erhaschen. Der Matterhorngipfel für uns alleine, unglaublich! Nach ca. 7:15h (inkl. 40 Minuten Pause) seit unserem Aufbruch am Bahnhof in Zermatt dürfen wir uns dort oben in die Arme und für einen kurzen Moment auch die Anspannung fallen lassen.
Ein weiterer Skyrunner erreicht den Gipfel, wir klatschen ab, gratulieren und tauschen uns aus. Geilo, der Matterhorngipfel in Skyrunnerhand....
Wie zu erwarten zieht sich der Abstieg, fast gleichlang brauchen wir und besonders im unteren Teil ist der richtige Weg nicht immer leicht zu finden. Doch alles hat irgendwann ein Ende und die Hörnlihütte kommt näher, Schwarsee kommt näher, Zermatt kommt näher und finally, nach fast 15h (inklusive aller Pausen) sind wir wieder beim Bahnhof, diesmal umgeben von dem üblichen, quirligen Touristentreiben.
Das Matterhorn in Turnschuhen. 3000 Höhenmeter. Was für ein epic adventure!
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Lothar Schanne (Donnerstag, 29 Oktober 2020 14:03)
Liebe Patricia,
du schreibst so lebendig. Beim Lesen hatte ich das Gefühl, dabei gewesen zu sein.
Toll.
Dein Vater