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Sportklettern Kletterurlaub Kalymnos 2017

Viel habe ich bereits über Kalymnos geschrieben, es gibt wohl kaum noch etwas hinzuzufügen, oder vielleicht doch?

 

Die Sonnenuntergänge sind jedenfalls einfach unvergleichlich schön. Wenn neben, über oder hinter Telendos, je nach Standort des Betrachters, die Sonne sich am Abend neigt und den Himmel blutrot einfärbt, dann bleibt für einen Augenblick die Zeit stehen. Ein alltäglicher Prozess, der aber eben nicht so alltäglich wahrgenommen wird. Immer wieder etwas anders, je nach Wetterlage, Dunst und Bewölkung verschwindet der Feuerball am Horizont mit unterschiedlicher Einfärbung des Himmels. Einen goldenen Streifen auf dem Meer hinterlassend, dazu dieses Nimmersatte Rauschen der Brandung ergibt dieses wohlige Gefühl, genau jetzt am richtigen Ort zu sein. Zufriedenheit breitet sich aus, Abschluss eines gelungenen Klettertages. Mit einem entspannten Lächeln sitzen wir meistens auf der Terrasse beim Apéro und beobachten dieses Naturschauspiel...

Im krassen Gegensatz zu dieser stimmigen Atmosphäre, wenn die Sonne über dem Meer verschwindet und einen entspannten, glücklichen Gefühlszustand zurücklässt, steht das überfüllte Massouri zur Kletterhauptsaison. Jahre zuvor hiess es von den Einheimischen, sie hätten einen Einbruch von bis zu 30% gespürt. Billigflieger, die gestrichen wurden, vielleicht auch ein übersättigter Markt und konkurrierende Kletterdestinationen, die genau zu dieser Jahreszeit hoch im Kurs stehen, könnten Auslöser gewesen sein. Davon konnten wir diesen Oktober jedenfalls nichts mehr feststellen. Die Insel brodelt mehr denn je, fast schon eine Art "Ballermann-Klettertourismus", nur natürlich viel gesitteter.

 

Da schiessen Klettershops aus dem Boden wie Pilze, den "Wild Sport" gibt es nun nicht nur als Outlet neben dem Café Sofrano, sondern auch noch mit einem dritten Shop am Ende von Armeos. Weitere Souvenirläden haben mit Kletterausrüstung aufgestockt und wollen auch ein fettes Stück vom saftigen Kuchen abhaben. Der typische Kalymnoskletterer läuft also gut gestylt mit den angesagtesten Labels der Kletterszene durch die Flaniermeile Massouri und tratscht über die brandneue 6a im Schattensektor Arginonta Valley. Die Zeiten von "Geiz ist Geil" beim Klettern sind vorbei, grosszügig wird zwischen verschiedenen Vorspeisen gewählt, frischer Fisch kommt auf den Tisch und zum Abschluss ein frozen-Yoghurt-Eis unterm Kokkinidis inhalliert.

 

Man kennt sich, man grüsst sich, man tauscht sich aus und verabredet sich für den nächsten Tag zum Abendessen in der Aegean Tavern, die ohne Reservation ganz und gar nicht mehr zu haben ist. Noch vor 5 Jahren versteckte sich der junge Kellner in der Aegean Tavern mit der Gelfrisur vor den Kunden, zurückhaltend und schüchtern. Jetzt begrüsst er schwungvoll und herzlich seine treue Kundschaft, ein aufgewecktes Kerlchen, das die Taverne schmeisst. Er wirbelt umher, jongliert die Teller mit den hübsch drappierten Speisen und düst kurzerhand, wenn etwas fehlt, mit seiner aufgemotzten Mopeden mit Carbonanbauteilen zum benachbarten Supermarkt. Showcooking ist angesagt, beim Cheese Saganaki flambé wird mit einem lauten Olé und einer Stichflamme, die bis in den letzten Winkel des Lokales zu sehen ist, die staunende Menge begeistert. Die Speisen sind very delicious, die beste Taverne im ganzen Ort, klaro, aber wer Ruhe und Gemütlichkeit sucht, ist hier falsch am Platz. Oder zur falschen Jahreszeit vor Ort.

 

Wir diskutieren abends bei einem kühlen Ouzo on the rocks in der Ambiance Bar, was denn nun der eigentliche Kletterer ist? Hier in Kalymnos gibt es ein breites Spektrum an Kletterern, die allesamt einer Leidenschaft nachgehen, dem Klettern. Beginnen tut das Spektrum beim Klettereinsteiger, der seine ersten Klettermeter gleich am besten Felsen aller Felsen machen möchte. Mit einem Kletterkurs oder betreuten Kletterferien. Gebiete mit Routen zwischen 4a und 4c sind gut frequentiert. Diesem Klientel wurden einige hübsche Felsen gewidmet, um gut gesichert, grauen, scharfen Kalk unter die Finger nehmen zu können und gleich nebenan den Fortgeschritteneren über die Schultern schauen zu können. Denn Gebiete mit einer 6a und 6b nach der anderen gibt es zu Hauf. Gerakios ist zum Beispiel so eines, das seit seiner Erschliessung grosser Beliebtheit frönt. 

 

Bleiben wir bei den etwas fortgeschritteneren Kletterern. Kalymnos ist der global Topspot, sehen und gesehen werden, das ist hier die Devise. Ob die 5c in Arco, Leonidio, San Vito oder Cala Gonone getoproped, geflashed, gepunktet oder gar geonsighted wurde, spielt keine Rolle. Hauptsache die Destination passt und ist angesagt. Dazu eine gute Infrastruktur mit Strand, Cafés, Restaurants und Shops, die den Hallenkletterer mit seiner restlichen Zeit ausserhalb des Kletterns versorgen. Gut auftrainierte Hallenkletterer finden natürlich in den steilen Überhängen eine perfekte Spielwiese, um ihre Überschusskraft an den Tufas abzubauen. Die Warteliste an der DNA wird täglich länger (ja richtig gehört, WARTELISTE!!!zum einschreiben), Megaklassiker wie auch die Priapos dauerbesetzt. Wie gut, wenn man wie wir momentan zwecks Klettermangel mit wenig Kraft anreist und eher Wandklettereien aufsucht, die zwar etwas old-school daherkommen, aber grundsätzlich frei sind.

 

Die Grauhaarigen. Eine nicht zu unterschätzende Population an Kletterern, die sich Kalymnos als Kletterinsel angenommen haben. In warmen Gefilden Gleichgesinnte treffen, gut dinieren, ein Gläschen Wein am Abend, ein Gelati am Nachmittag und untertags in Genussklettergebieten die Sonne aufsaugen. Besonders älteren Engländergruppen sind wir begegnet, aber auch "exotischeren" Nationen wie einer grossen Gruppe an älteren Japanern.

 

Dann gibt es noch solche, die einmal kamen und nicht wieder gingen. Aussteiger. Kletterer, die vom Charme und der Einmaligkeit der Insel sich so angezogen fühlten, dass sie sich entschieden, ihren Lebensmittelpunkt nach Kalymnos zu verlagern. Du trifft sie jedes Jahr dort und sie scheinen glücklich. Glücklich wie auch die Einheimischen, die noch immer mit viel Enthusiasmus die Infrastruktur schmeissen und dich herzlich willkommen heissen. Ihre Saison ist mittlerweile sehr lang, 7 Tage die Woche buckeln zwischen März und November. Nur wenigen sieht man die lange Saison an und wenn sie dich zum ersten mal nach einem Jahr wieder sehen, ist von der langen Saison nichts mehr zu spüren. Herzlich wie eh und je und mit vollem Einsatz wird bedient und serviert und zum Abschluss gedankt. Gedankt, dass wir Kletterer ihnen treu bleiben. 

 

Man selbst gehört ja immer zu den "Normalen". Selbst ist man das Mass, das das Mittel bildet ;-) Und ja, auch solche Normalos fanden den Weg nach Kalymnos, Kletterer wie du und ich. Alte Bekannte, beste Kletterfreunde und solche, die man vom Namen oder per Gesichtsbuch kennt. Danke euch allen, das ihr da gewesen seid und durch eure Anwesenheit unseren Kletterurlaub wieder zu dem gemacht habt, was er ist: Kalymnos bleibt DER Jahresurlaub Nr.1, nach dem wir uns so lange sehnen. Die Kletterinsel für ALLE Kletterer. 

 

 

Einige Veränderungen konnten wir beobachten:

 

  • Mietautos nehmen zu und verstopfen zunehmend Massouri zu den Hauptverkehrszeiten trotz Einbahnsystem. Aber nicht nur Mietautos, auch Einheimische greifen vermehrt auf Autos als Fortbewegungsmittel zurück, mit steigendem Wohlstand durch den Klettertourismus leicht nachzuvollziehen. Mitte Oktober mussten wir mehrere Scooterverleih abklappern, um überhaupt noch in den Genuss eines fahrbaren Untersatzes zu gelangen. Die Lärmbelästigung durch die knatternden Scooter und der Benzingestank ist teilweise echt lästig. Hier wäre es wünschenswert, dass in Zukunft mobile Elektrolösungen verstärkt den Verleihmarkt fluten, wie E-Bikes und E-Roller, um das schöne Ambiente im quirligen Massouri nicht noch weiter zu beeinträchtigen.
  • Spendenboxen stehen an strategisch wichtigen Orten wie Klettershops und vielfrequentierten Restaurants um Geld für das Kalymnos Rescue Team zu sammeln. Eine gute Initiative, aber trotzdem sollte jeder Kletterer sich bewusst sein, das Rettung und medizinische Versorgung dauern und kein Hubschrauber für den schnellen Abtransport zur Verfügung steht. 
  • Viele Routen wurden saniert, rostige Bolts und eingeschliffene Standkarabiner getauscht. Wir haben diesmal in den von uns besuchten Klettergebieten keine/kaum schlechte Haken angetroffen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die unterschiedliche Absicherung und was als gut wahrgenommen wird. Die jüngeren Gebiete sind meistens recht eng behakt, ältere Gebiete oder solche mit längerem Zustieg meist etwas weiter. So muss an der Magic Wall im Sektor Noufaro recht sportlich an der kaum senkrechten Wand geklettert werden, während im jüngeren Prophitis Andreas besonders die ersten Meter vorbildlich eng abgesichert wurden. Im Hinblick auf die Verletzungsgefahr und die schlechten Möglichkeiten medizinischer Versorgung im Falle eines Unfalles eine positive Entwicklung. 
  • Die Schönheitsbewertung im Führer ist schon arg subjektiv und lenkt zu stark die Besucherströme. Wir sind diesen Urlaub viele 2 Sterntouren geklettert, die mindestens 3 Stern verdient hätten und noch schön rauh waren. Wohingegen manche Musiknotenrouten nicht besser als ihre Nachbarn waren, nur abgeschmierter. Wird im Führer erwähnt, dass das Gebiet scharfen Fels hat, geht niemand hin und Touren von 2004 sind noch im ursprünglichen Zustand und werden wohl nie abgeklettert werden. Schade. Auch wir haben uns lange von der Schönheitsbewertung leiten lassen, mittlerweile stehe ich derer allerdings skeptisch gegenüber.

Unterkunft:

Diesmal hatten wir eine neue Unterkunft getestet und waren hellauf begeistert: Villa Myrtia in Myrties. Das Beachstudio liegt direkt am Meer und ausser der Brandung hört man einfach nichts. Grossartig! Dazu ein liebenswerter Besitzer namens Dimitris, der uns für die letzten 3 Nächte sogar seine Privatwohnung zur Verfügung stellte, da das Beachstudio belegt war. Es wird täglich (ausser sonntags) gereinigt und Handtücher alle 2 Tage frisch ersetzt. Preis-Leistung stimmt hier allemal!

 

Routentipps:

Routen sind für gewöhnlich Geschmackssache, trotzdem möchte ich euch einige gekletterte Perlen nicht vorenthalten

  • Prophitis Andreas: "Prophet Andreas" und "le Combat des Chefs"
  • Noufaro Magic Wall: "Great Albert" und "Black Beauty"
  • Odyssey: "Nausicaa Nausicaa" (schlechtes Bolting, aber wer über dem Grad drüber steht und sich an den tollen Konkretionen ergötzen kann, wird die plattige und technische Kletterei lieben)
  • Olympic Wall: "Sextoys"
  • Spartacus: "Aphrodisia"
  • Kalydna: "Tassir", "Calida", "Sickle"
  • Iannis: "Verikoko" (voll angreifen, mega nahe Hakenabstände)
  • Poets Coeur d'Armeos: "Boubou", "Reste Haut du Coeur"
  • Poets: o'Brothers, 
  • Ourania Mystery: "Stranger in Paradise"
  • Symplegades: "Homo Sapiens", "Ermix"
  • Telendos, Pescatore: "Rita"

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschafterin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

Online-Autorin SAC Tourenportal

Autorin Trailrunning Guidebook

 

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