Da in All'Acqua bereits alle Parkplätze belegt sind, parken wir unser Auto weiter unten in Chioss Prato beim kleinen Skiübungslift. Dass sich diese Variante sogar als Vorteil entpuppen sollte, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Doch der steile, schattige Wald von der Cap. Piansecco hinunter bis nach Chioss Prato bietet ein Pülverchen, aus dem Abfahrtsträume gemacht sind. Doch mehr dazu später.
Das Bedretto wurde in der vergangenen Woche geradezu überschüttet mit Neuschnee, unglaublich hohe Schneemauern deuten bereits bei der Hinfahrt nach All'Acqua auf gute Tourenmöglichkeiten hin. Witzig schaut es aus, wenn Skitourengeher und Schneeschuhwanderer auf diesen hohen Schneemauern gehen, um an ihre Autos zu gelangen, die sich heute ob des Andranges an der kompletten Strasse entlang ziehen. Noch liegt der Talgrund im Schatten und das Thermometer zeigt weit unter 0 an, auf den Bäumen liegt noch immer massig Schnee, willkommen im Winterwonderland. Doch bereits auf dem Anstieg zur Cap. Piansecco wandelt sich das Landschaftsbild und das Kälteempfinden, ohne Wind und mit satter Sonneneinstrahlung geht es ab nun steil aufwärts. Nach und nach wandern die dicken Schichten vom Körper in den Rucksack, die Sonnencreme leistet gute Dienste, auch wenn die Schweissproduktion auf der Stirn stetig an Fahrt zulegt.
Es ist einiges los, doch es verteilt sich recht gut auf der Sonnenseite des Bedrettos. Wir gewinnen gleichmässig an Höhe und erreichen schon bald den Gerenpass, der endlich Abkühlung verspricht, da die spitzen Zacken des Poncione di Cassina Baggio Schatten spenden. Die Sicht wird frei auf die Berner Alpen mit dem Finsteraarhorn als formschönen und besonders attraktiven Berg aus diesem Blickwinkel. Beim Blick zurück nach Süden offenbart sich uns ein rosa gefärbter Himmel mit einer dünnen Wolkenschicht, weisse, homogene Gletscherflächen des Basodino und des Blinnenhorns ziehen das Auge magisch an. Der Anstieg ab dem Gerepass gestaltet sich demnach fast kurzweilig vor lauter Schauen und Ablenkung durch das überwältigende Panorama. Dass das Chüebodenhorn die 3000m misst, macht sich also nicht nur in der dünneren Luft bemerkbar, sondern auch mit der hochalpinen Rundumsicht.
Gerade als wir den Gipfel erreichen, der auf den letzten Metern zu Fuss unschwierig erstiegen wird, fährt eine Dreiergruppe in das steile NO-Couloir ab dem Skidepot des Chüebodenhorns ein. Uiii, das schaut super aus! Noch schön pulvrig, wenn auch schon etwas zerfahren, doch unten raus lacht uns noch viel unverspurter Superpulver entgegen. Der Einstieg gestaltet sich dann noch etwas komplexer als erwartet, die kleine Wechte kann nicht mittels Sprung überwunden werden, weil unterhalb Steine lauern. Mittels Abklettern und Schi hinuntergeben lässt sich diese Hürde aber problemlos bewältigen. Zum Skianziehen gibt es bereits einen gut ausgetretenen Platz, über den ich recht froh bin in diesem abschüssigen Gelände. Wie immer kostet der erste Turn etwas Überwindung, aber dann läufts, die Anspannung fällt und weicht diesem wohligen Gefühl, wenn der Körper mit tausenden von Glückshormonen durchströmt wird.
Dass es weiter links im Abfahrtssinne noch ein schmäleres Couloir gibt, wussten wir bis dato nicht, erst beim Zurückschauen sahen wir dann eine Gruppe kurz vor dem Drop-in stehen. Gut zu wissen für den nächsten Besuch;-)
Mit kurzem Gegenanstieg auf den Passo di Rotondo (Pizzo Rotondo hatte 2 Abfahrtsspuren drin und etliche Aufstiegs- und Abstiegsstapfspuren) und nochmaligem kleinen Gegenanstieg auf die Scharte bei P2773 erreichten wir die abschliessende Abfahrt des heutigen Tages. Durch die Südexposition kann man jetzt nicht gerade von Powder sprechen, ein minimales Krüstchen und je nach Exposition auch nasser Schnee, erforderte etwas mehr Kraft und Umsicht. Doch bereits nach dem steilsten Teil schwappte die Schneebeschaffenheit abermals in Pulver um und zog uns ein Grinsen aufs Gesicht, die südöstliche Exposition und etwas weniger steile Hänge machten es möglich. Und so genossen wir auf diesen letzten 1000 Abfahrtshöhenmetern jeden Meter. Besonders ab dem P2084 trauten wir unseren Augen kaum, als ein unverspurter, ebenmässiger Hang, der in lichtem Lärchenbestand mündete, vor unseren Füssen lag. Geilo. Und erst der eingangs erwähnte Steilwald vom P1893 links hinunter! Vom Feinsten. Lärchenslalom, Pillows, eine steile Rinne und zum Abschluss sanftes verspieltes Gelände im breiten Schluchtgrund, bis der Pulver plötzlich abruppt auf der Piste des Kinderlifts in der Sonne endet. Direkt beim Auto.
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