Epic. Dieses Wort umschreibt gewisse Abenteuer einfach am besten. Dazu zählen solche Grenzerfahrungen wie 2017 im Mai am Mont Blanc oder auch alpine Heldentaten aus der Sturm- und Drangzeit, die man zum Glück unbeschadet überlebt hat. Am Sonntag war es mal wieder soweit, dem Wort "epic" einen neuen Hauch von Leben einzuflössen. Der Tödi. Der Höchste der Glarner Berge. Und vom Tal weg die grösste Skitour weit und breit in der Umgebung. 3000Hm, 34km Wegstrecke. Ein ziemliches Ding.
Dass wir uns für einen Tag mit Föhnsturm entschieden, war eher suboptimal. Allerdings konnten wir von den Angaben im Meteoblue-Wetterbericht nicht auf das Ausmass des massiven Föhnsturmes schliessen. Mit 30km/h für die Gipfelregion laut Wetterbericht durchaus überschaubar. Leider waren bereits vom Auto weg die Schneefahnen in der Region zu sehen. Wir redeten uns ein, dass es vielleicht wegen dem bissl Neuschnee ist, der am Vorabend gefallen ist und der so locker ist, dass selbst ein Hauch von Wind massive Schneeverfrachtungen einleitet. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zu letzt und so trotten wir erst mal bei völliger Windstille am Auto los.
Ewig zieht sich der Zustieg, doch da Harry und ich zum ersten Mal in der Gegend sind, gestaltet sich der Hatsch durchaus abwechslungsreich. Denn das Tal ist von riesigen Felswänden umgeben. Unzählige Eisfälle und Eisspuren durchziehen die felsigen Wände, die vom Ausmass her fast Himalaya-Grösse erreichen. Im Ernst, wenn jemand wirklichen Alpinismus weitab von den Mainstream-Routen zelebrieren möchte, dann ist er hier richtig. Fette Bigwalls, zerklüftete Kessel und unendliche Möglichkeiten. Wir waren schwer beeindruckt.
Schliesslich schliessen Natalia und Peter zu uns auf, ab nun sind wir im 4er Team unterwegs und mit dem ganzen Geplauder erreichen wir schon bald das Ende der Forststrasse. Der eigentliche Aufstieg ab Hintersand kann beginnen. Und noch immer ist nichts vom Wind zu spüren, nur zu sehen. Im Bereich Bifertenbach und Tendiwang zwingen uns alte Nassschneelawinenbahnen und Kegel zu einigen Ausweichmanövern. Dort ist auch die letzte Rast vorm grossen Sturm noch möglich, weiter oben sehen wir nämlich bereits auf die grossen Schneeverwehungen, die waagrecht übers Gelände pfeifen. Spätestens auf den unteren Ausläufern des Bifertengletschers trifft uns zum ersten Mal mit voller Wucht der böige Föhnsturm. Wir lehnen uns gegen den Wind, haben oftmals Gelichgewichtsprobleme. Zum Glück ist es nicht kalt, doch durch die ständige Exposition müssen wir alle Teile der Haut schützen. Fortan gehts mit Gesichtsmaske und Skibrille.
Der Wind laugt echt aus. Kräftezehrend, da wir dagegen ankämpfen müssen, er nagt an der Motivation, er trocknet die Kehlen aus. Doch noch möchten wir nicht aufgeben, so lange der Anstieg mit der Triebschneesituation vereinbar ist, werden wir weitergehen. Immer wieder müssen wir kurz anhalten, um eine kräftige Böe abzuwarten, zu allem Überdruss brauchen wir ab dem 1. Eisbruch Harscheisen, was das Fortbewegen nicht vereinfacht. Warum wir nicht weiter unten schon umgekehrt sind? Wenn du dieses Naturspektakel live beobachten kannst, das ist schon ein Erlebnis. Es rieselt von den steilen Wänden, Spindrifts wirbeln umher, die Gipfelregionen sind durch massive Schneefahnen gekennzeichnet, hi und da kommt eine Mini-Staublawine von den oberen Bereichen hinuntergesegelt. Das ist schon toll anzusehen, zumal wir auf unserer Aufstiegsroute bis hierhin nichts zu befürchten haben.
Aber gewiss ist, wenn jemand einen Fehler macht, dann ist die Reserve nicht mehr allzu gross. Handschuh verlieren hätte direktes Abfahren zur Folge. Denn Erfrierungen sind auch bei den relativ gemässigten Temperaturen, aber bei 50-80km/h Wind, vorprogrammiert. Mit fortschreitender Zeit und gewinnender Höhe nimmt die Stärke des Windes zu. Dass wir die Schnees heute bewältigen werden, steht kaum noch zur Debatte. Zu steil, zu viel Schneeverfrachtungen, das wollen wir nicht riskieren. Aber wir wollen noch die Sonne sehen! Das Ziel des heutigen Tages! Denn die Tour war bis hierhin, knapp unterhalb der Schneerus, komplett im Schatten während des Anstieges. Es ist ein traumhafter Tag, wolkenlos, wäre doch schade, nicht die Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren.
Und so machen wir es. Beim Wasserfall unterhalb der Schneerus, etwas windgeschützter, erklären wir den Ort als Umkehrpunkt. Es ist schon komisch, da haben wir gut 2000Hm und eine ziemliche Wegstrecke absolviert, stehen aber im Prinzip im Nirgendwo. Kein Gipfel, kein Gipfelpanorama, und trotzdem erschöpft und müde. Aber immer noch mit guter Laune und das ist das wichtigste: ein Tag in guter Gesellschaft ist immer bereichernd! Und das Naturschauspiel als Bonus obendrauf!
Kommentar schreiben
Lothar S. (Mittwoch, 07 März 2018 13:22)
Toll Patricia. "Solche Landschaften werden wir nie sehen" war der melancholische Kommentar von Dalila.
Peter (Sonntag, 06 Mai 2018 11:51)
Und dass mein Handschuh, vom Föhn getrieben auf Nimmerwiedersehen davongesegelt ist, hast du gütigerweise nicht erwähnt ;-) Aber man hat ja zum Glück Ersatz im Gepäck.
Es war ein tolles Abenteuer!!