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Skyrun Allalinhorn Traverse

 

Das Allalinhorn mit seinen 4027m ist ein begehrter 4000er in den Walliser Alpen, da es von der Bergstation des Alpin Express in Saas-Fee mit nur wenig Aufwand und geringem bergsteigerischen Erfahrungsschatz problemlos den ganzen Sommer über erreicht werden kann. Dass das Allalinhorn aber auch eine ruhige Seite hat, durften wir am Hohlaubgrat erfahren. Klar es ist noch früh in der Saison, die meisten hochalpinen Berghütten haben gerade mal 1 Woche geöffnet. Und doch waren wir erstaunt, als der Anstieg zum Hohlaubgrat von der Britanniahütte nicht eingespurt war. Die fette Autobahn leitete weiter zum Strahlhorn, der Abzweiger am Gletscher hinüber zum Hohlaub-Anstieg blieb unberührt. 

 

Für einen Skyrun, bei dem es irgendwo auch immer um den zeitlichen Aspekt geht, natürlich suboptimal. Um persönlich zufriedenstellende Zeiten aufzustellen, muss der Skyrunner schlichtweg auf eine ausgetretene Spur, am besten eine Autobahn, zurückgreifen können. Somit lag es nun an uns, den besten Weg auf P35 43 zu finden, wo eine Spur vom Stollenloch des Alpin Express hin und weiter zum Gipfel führt. Und selbst diese Spur war alles andere als für speedige Zeiten gemacht. Tiefe Tritte in weichem Schnee, teilweise knietief. Dafür natürlich ziemlich angenehm in Turnschuhen, da die Exposition gegenüber harten Verhältnissen genommen wird und wir auf richtige Steigeisen verzichten konnten. Die Schneeketten mit Alu oder Stahlzacken reichten bei diesen Verhältnissen.

 

Es ist eben immer ein schmaler Grat zwischen zu viel und zu wenig. Zu viel oder zu wenig Schneeauflage, zu früh oder zu spät gestartet, zu minimalistische Steigeisen oder overdressed,...

 

A propos overdressed, nur am Rande sei erwähnt, dass noch immer die Skitourensaison in vollem Gange ist. Wie amüsant, wenn mit dicker Wollhaube, breiter Skitourenhose und Goretex-Jacke die Felle am Gipfel abgezogen werden, während wir in kurzer Hose, T-Shirt und Schweissband unsere Schneeketten im Trailrucksack verstauen. Da mussten beide Parteien schmunzeln. Denn interessanterweise gab es in diesem Moment kein richtig oder falsch. Die NW-Firnflanke vom Allalinhorn lockte genauso mit Ski wie auch mit Trailschuhen, beiden "Sportgeräten" konnten an diesem sonnigen Samstag sehrwohl eine Daseinsberechtigung zugeschrieben werden. Es lebe die Freiheit in den Bergen. Die Freiheit entscheiden zu können, was, wie und mit wem man unterwegs sein darf.

 

Zurück zu unserer Skyrunning-Traverse. Den Abstieg vom Alphubeljoch kannten wir bereits vom Skyrun auf den Alphubel, somit konnten wir uns auf den Aufstieg zum Allalinhorn und die Traverse über den Feechopf fokussieren. Vom Dorfplatz in Saas-Almagell führt, gerade recht zum Aufwärmen, mit nur wenig Steigung der erste Teil des Weges entlang des Baches nach Zermeiggern, von wo die Höhenmeter beginnen. Der Wanderweg ist im Prinzip ein Traum, schmal, trailig, mit Blümchen und Gräsern verziert, allerdings auch schon etwas, besonders zu Anfang, von der Botanik vereinnahmt worden. Es scheint, als ob die Bergsteiger den ehrlichen Weg, aus eigenen Kräften auf einen Berg zu steigen, nicht mehr so schätzen. Der herrliche Wanderweg wird bald von der Natur zurückerobert sein.

 

Nach gut 500Hm tauchen wir vom dunklen Talgrund ein in die sonnenüberfluteten Hänge von Chessjen. Bäche rinnen ringsum, Zeit zum Wiederauffüllen der Wasserreservoirs. Als der Wanderweg in den Steig, der von Plattjen kommt einmündet, beginnen so langsam die Schneefelder, die sich geschlossen bis zur Britanniahütte ziehen. Sie sind durchzogen von tiefen Wasserlöchern und Mustern. Schön zum Anschauen, schlecht zum Rennen. Harry hat alle Mühe seinen Takt beizubehalten. Ich bin am Gehen und Balancieren. Da der Lift nach Plattjen diesen Sommer geschlossen ist, treffen wir keine Spur an. Unser Geeiere beginnt.

 

Hinter der Britanniahütte legen wir die Stahlschneeketten an, der kurze Downhill ist hart gefroren. Der Hohlaubgletscher ist noch gut eingeschneit, unsere Einschätzung, dass wir wohl auf ein Seil verzichten können, korrekt. Auf ca. 3100m erreichen wir den Hohlaubgrat, ein mässig steiles Schneefeld, welches am äussersten Rand von bereits ausgeaperten Blöcken begrenzt wird, bringt uns stetig, wenn auch kräftezehrend vorwärts. Harry hat seine Mission von Rennen auf Gehen umgestellt, wir schnaufen jetzt schon, dabei trennen uns noch immer 500Hm von der 4000er-Grenze. Der Hang zieht sich, äusserst mühsam, erst als wir P3543 erreichen und wir den letzten Firngrat mit Gipfelkopf überblicken, steigt die Motivation erneut an. Ausserdem dürfen wir ab hier auf eine vorhandene Spur zurückgreifen.

 

Mit jedem Schritt auf diesem letzten 500Hm Firngratstück eröffnet sich ein Stück weit mehr das saugende Panorama. Zur Linken Strahlhorn, zur Rechten die Mischabelberge. Der kurze Felsteil löst das monotone "Treppensteigen" ab, die Felsen sind unschwierig anhand unzähliger Steigeisenkratzer zu erklettern. Die Schneeketten sind ebenso rasch versorgt, wie auch wieder nach dem 30m Felsband aufgezogen. Und dann, endlich, das Gipfelkreuz und die letzten 30m vor Augen. Wir packen tatsächlich nochmals den Laufschritt aus, so ein schöner Steg hinüber zum höchsten Punkt muss man einfach berennen.

 

Die NW-Flanke ist mit einigen auf- wie absteigenden Seilschaften übersät, mit und ohne Ski, wir lassen es zwischen den Leuten im Slalom rollen, der feste Schnee lässt endlich Freude aufkommen. Die Traverse hinüber zum Feechopf ist fantastisch. Schön ausgeräumter und gut geschichteter farbiger Fels macht Freude, die Aussicht auf die Zermatter Berge ist betörend. Ein alpiner Laufsteg par excellence. Entgegenkommende, französischsprachige Bergsteiger berichten, dass der Anstieg von der Täschhütte echt mühsam war, sie wären oftmals unverhofft eingebrochen. Na toll, das sind die Nachrichten, die wir gerade gar nicht brauchen. Unsere Kräfte sind am schwinden, da bedarf es nicht noch mehr der suboptimalen Verhältnisse.

 

Es kommt wie erwartet. Die Schneedecke gibt bei jedem Schritt nach, erst als wir weiter unten sind, auf ca. 3600, wandelt der Schnee zu richtigem Sommerschnee, der tragend ist und in den steileren Passagen uns ein lustiges Hinabschlittern wie auf Skiern serviert. Am unteren Ende der Schneeskala wartet dann abermals dieser koordinativ fordernde Wasserlochschnee auf uns, doch uns bringt nichts mehr aus der Fassung. Das Zwischenziel, die Täschhütte, liegt um die nächste Ecke und wartet mit einem erfrischend kühlen Cola. Im Gespräch mit der Hüttenwirtin erfahren wir, dass die Woche über wenig los war und erst jetzt diesen Abend die Hütte ausgebucht sei. Das deckt sich also auch mit unserer Beobachtung, dass bisher recht wenig los war, trotz des guten Wetters.

 

Bis zur Täschalp und weiter hinab bis zur Kirche in Täsch ist ein an für sich schöner Trail, auch wenn der letzte Abschnitt heute ferner unter Knietöter lief. Wie gut wartet zwischen Kirche und Bahnhof ein Brunnen, ich hätte sonst womöglich einen Hitzekoller eingefahren. Wassertreten im Eiswasser, herrlich. Danach sind alle Blessuren verschwunden, zumindest kurzzeitig. 

 

Von einem Tal ins andere zu laufen und dabei über einen 4000er zu rennen, strahlt schon einen besonderen Reiz aus. Für uns bis dato der erste Skyrun dieser Art, aber sicherlich nicht der letzte!!!

 

 

 

 

 

 

Facts: 25km, 2570Hm up/2770Hm down

-Start um 6:53Uhr am Dorfplatz in Saas-Almagell.

-Nach 1:54h erreichen wir die Britanniahütte über den Wanderweg von Zermeiggen.

-Kurzer Downhill, dann Traverse zum gut eingeschneiten Gletscher. Leider keine Spur. Ab ca. 3100m betreten wir den Hohlaubgrat. Über Schnee und Fels bis auf P3543, wo wir endlich auf eine Spur treffen.

-nach 4:40h am Gipfel des Allalinhorns

-nach fast 7h sind wir auf der Täschhütte und genehmigen uns ein Cola und eine grosse Pause

-nach 8:20h erreichen wir den Bahnhof in Täsch

 

Ausrüstung:

lediglich Grivel Stahl-Schneeketten und Carbon Pickel

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschafterin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

Online-Autorin SAC Tourenportal

Autorin Trailrunning Guidebook

 

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