Lagazuoi: orizzonti di gloria
Zum Auftakt der Kletterwoche war eine Mischung aus plaisir, sportklettern und alpin angehaucht gesucht. Da ich momentan mit einer Sehnenreizung am linken Knie zu kämpfen habe, war das 2. Kriterium ein bequemer, relativ kurzer Zu- und Abstieg ebenfalls ausschlaggebend für die Routenauswahl. Die Routen am Lagazuoi bestechen in der Regel kaum mit eindrücklichen Seillängen, dafür findet man immer wieder schöne Passagen, geniesst die Aussicht und lässt sich von der Sonne bescheinen.
So reiht sich auch die Orrizzonti di Gloria in dieser Potpourri an weniger aussagekräftigen Routen am Lagazuoi ein. Die erste Seillänge noch recht unlogisch und gesucht, muss in der 2. Länge bereits ein gewisses Sportkletterkönnen herhalten. Guter Fels und anhaltende Kletterei bei guter Absicherung kennzeichnen diese Länge und zeichnen ein Grinsen ins Gesicht. Auch die 5er Genusslängen über grauen, griffigen Fels begeistern. Ab und an gibts ein weniger prickelndes Intermezzo, die vorletzte Seillänge folgt zwar einer interessanten Linie, verursacht aber auch gehörig Seilzug. Das Prachtexemplar ist sicherlich die letzte Länge auf den Pfeiler hinauf. Mit dem Abstieg über den Kaiser-Schützensteig schliesst sich das Halbtagesunternehmen.
Sass Pordoi: Gross Führe
Die alpinen Genussrouten auf der Südseite des Sass Pordoi mag ich besonders gerne zum einsteigen ins Alpinklettergeschehen. Mit sanierten Ständen und dem raschen Abstieg mittels Seilbahn fehlt ihnen an Ernsthaftigkeit, dafür bieten sie trotzdem einiges an Erlebnis. Auftakt in der Gross-Führe macht eine traumhafte Verschneidung, die mit super Fels begeistert. Schön griffig und fest, ausserdem lässt sich die ein oder andere mobile Sicherung gut legen. In der folgenden Länge wird etwas mehr Verschneidungskletterkönnen abgefragt, besonders wenn es den bombproof-Keil wegen der Seilreibung zupft und das Seil bis zum Stand so schön luftig durchhängt;-). Die schwierigste Seillänge entpuppt sich dann als tolle Genusslänge an steilem Fels, wohingegen die 4er Längen über die gleichförmige gelbliche Wand einiges mehr fordern, nämlich ein gutes Gespür für den besten Weg, die Absicherung ist nur mässig und der Fels nicht über alle Zweifel erhaben. Weiter oben dann erreicht man den Grat und die Beschreibung "Laufsteg" im Bernardi-Führer trifft es recht gut. Nochmals originell die Kletterei direkt über die Kante, bevor das Gelände sich zurücklegt und ein gemeinsames Klettern am verkürzten Seil zulässt.
Nebenan in der Mariaführe reihten sich die Seilschaften mal wieder wie auf einer Perlenkette auf, die Piazführe sowie unsere Gross-Führe blieben schön ruhig. Vom Ausstieg bei der Seilbahnstation unbedingt noch kurz hinab zum Kreuz latschen , dort befindet sich etwas unterhalb ein Absprungpunkt für Basejumper. Wer glaubt schwindelfrei zu sein, kann sich dort an die Kante stellen und hinabschauen. Äusserst imposant. Aber Achtung, stolpern verboten, beachtet die Dübel in der Platte!
Tofana Castelletto: la grande guerra
Die etwas schwierigere "Pacchia", ebenfalls an dieser imposanten Wand, hatte uns damals ziemlich begeistert, klar war somit, dass wir uns an der "grande guerra" versuchen würden, wenn die Temperaturen einen Versuch in der schattigen Wand zulassen. Mit einer Nullgradgrenze auf 4300m war der Tag tatsächlich gekommen, und das Mitte September! Die Routen am Castelletto gehören zu den ruhigeren am Falzarego, der Zustieg mit einer Stunde zwar nicht sonderlich kurz, dafür landschaftlich absolut empfehlenswert. Und wer einen stabilen Tag hat kann getrost später starten, denn die Sonne erreicht erst am frühen Nachmittag die Wand. Am Morgen schaut sie düster und furchteinflössend aus, steil ragt der graue und gelbe Fels in die Höhe. Beim Zustieg nicht zu früh abbiegen wollen, der Wanderweg führt fast bis direkt unter die Wand.
Über grauen Fels startet die erste Seillänge, die Absicherung ist okay, wenn auch die Abstände der Bohrhaken etwas weiter als gewohnt sind. Dolomitenabstände halt. Die zweite Seillänge zieht leicht nach links ansteigend fantastisch empor, wieder über grauen Fels. Wir sind gut auf Kurs, ich fühle mich wohl, wenn auch noch etwas zaghaft, denn gleich zu Anfang gibts einen üblen Runout zu meistern. Vorgeschmack auf das, was kommen soll. Denn die ziemlich anhaltende 6c Seillänge über unübersichtlichen, grauen Fels will mehr als ehrlich geklettert werden. Wie mit dem Massband vermessen befindet sich alle 5m ein Bolt, ob es da nun schwierig vor, nach oder bei dem Bohrhaken ist, interessiert nicht. Also Klettererfahrung auspacken und auf das Wesentliche konzentrieren, die Kletterei, nicht die Absicherung. Besonders toll ist die letzte sehr lange Länge auf den Turm. Die Rissschuppe ist diesmal sehr gut abgesichert und schreit zum vollen Angreifen. Pumpig! Oben raus dann Genusskletterei über flacheren grauen Fels.
Wir haben entlang der Route abgeseilt, geht mit etwas Vorsicht auf den Bändern problemlos. Bei mehreren Seilschaften allerdings nicht zu empfehlen.
2. Sellaturm Westwand: Glück Führe
Der letzte super stabile Tag der Woche will genutzt werden, am besten geht das mit einer klassischen Alpintour aus dem Jahre Schnee. Rund um das Sellamassiv haben wir schon ziemlich viel aus der Führerliteratur abgegrast, da kommt der dritte Band der Bernardireihe gerade recht. Die "Glück" führt elegant über einen steilen Riss hinauf zur Westkante des 2. Sellaturms. Und wie so oft bei den alten Alpintouren sind die Schlüsselseillängen bestens gesichert, mit 14 Express am Gurt schwer bestückt rücken wir an. Die erste Seillänge besticht nicht gerade durch gute Felsqualität oder interessante Kletterstellen, sie muss vielmehr als Zustieg zur eigentlichen Kletterei gesehen werden. Doch bereits in der 2. Länge wartet anregende Verschneidungskletterei. Spätestens der Quergang der dritten Länge über plattigen Fels mit einigen Löchern und Leisten weckt auf, bevor die vielen Express in der leicht überhängenden Rissseillänge zum Einsatz kommen. Ein guter Sechser in freier Kletterei und nicht sonderlich poliert, da kommt Freude auf. Der darauffolgende Stand in alpiner Durchschnittsqualität, wie die meisten Stände der Route. In der Regel 2 Schlaghaken, ein Keil oder Friend findet daneben oftmals Platz. Nur relativ weit oben schon, am Fuss der versteckten Verschneidung beziehe ich an einem interessanten Gebilde Stand. Eine Sanduhr, die nach oben hin allerdings äusserst fragil anmutet, zum Glück hat sie an ihrem unteren Ende eine solidere Basis und kann als Köpfel gewertet werden. Mit einem kleinen Keil, der in einem Querriss von unten die Sanduhr abspannt, ergibt sich ein schöner Bastlerstand. Genau nach meinem Geschmack, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Immer wieder folgen schöne Kletterstellen, besonders lohnend ist die lange Schuppenseillänge, die in homogener Kletterei eine 50m Seillänge ergibt. Schliesslich mündet die Route mit der Kasnapoff zusammen und verfolgt die letzten Meter in leichter Kletterei zum Gipfel hinauf. Wir kennen den Abstieg bereits von der Kasnapoff, die wir vor einigen Jahren geklettert sind. Ohne Abseilen schlängelt sich der Abstieg mit Abklettern (oben im 3. Grad) bis zur Vereinigung mit den Abstiegswegen vom Gamsband und dem 1. Sellaturm. Am besten folgt man den polierten Felsen, die Abstiegs-Beschreibung zu lesen führt eher zur Überforderung. Unten teilt sich dann der Abstiegsweg, im Abstiegssinne die linke Variante hat ganz zum Schluss 2 unangenehm plattig-glatte Meter zu bieten, die rechte Variante führt zu einem Abseilring, kann aber auch genauso gut im 3. Grad abgeklettert werden.
Traumpfeiler: Traumschiff
Wahrlich traumhafter Fels findet man am Traumpfeiler. Auch wenn das Ambiente einer grossen Wand fehlt, die Kletterei ist erste Sahne. Technisch diffizil, wo Beinarbeit mehr gefragt als rohe Bizepskraft ist, entlang von Löchern, Dellen und Käntchen schlängelt man sich die 25m Seillängen hinauf. Einfach nur genial. Dabei ist die Absicherung sportklettermässig, auch wenn der ein oder andere Move obligatorisch bleibt. Die Bewertung eher auf der harten Seite, habe ich gleich in der ersten Länge einen Hänger. Noch vor der eigentlichen Crux, dem Ausstieg aus dem Bauch, habe ich grösste Mühe den 3. BH zu klippen, der Kaltpump fährt ein, ich hänge. Na super, das fängt ja toll an.
Mit der richtigen Sequenz schaffe ich schliesslich den Ausstieg aus dem Überhang, wie gut dass die Seillängen nicht länger sind. Die folgende 2. Seillänge ist der Oberhammer, affengeile Kletterei, konstant geht es an Löchern und Dellen hinauf bis zum Schluss der Fels immer kompakter wird und zum Stand hin die Crux wartet. Ein richtiges Steh- und Bewegungsproblem, abgefahren. Mit einem kurzen Hänger gelingt mir die Stelle dann aber auf Anhieb. Harry ist super unterwegs, nachdem ihm die Crux der 1. Seillänge mehrmals abwarf, gelingt ihm im Nachstieg diese technisch anspruchsvolle Seillänge gleich auf Anhieb. Das motiviert mich umso mehr, in der nächsten Länge wieder Gas zu geben. Doch leider wirft mich eine Stelle immer und immer wieder ab. Ich finde keine Lösung, ebenso Harry. Irgendwie merkwürdig, dass wir beide die vorangegangene 7a Seillänge deutlich einfacher finden als diese 6c Seillänge?!?
Nunja, der Saft ist aus, die Sonne knallt in die Wand. Zeit zum Abseilen. Auch wenn die restlichen drei Längen verlockend aussehen. Die Lust am Klettern und Durchsteigen einer Route ist jedenfalls nach dieser Halbtagsbeschäftigung enorm gestiegen, da müssen wir beim nächsten Dolomitenurlaub nochmals Hand anlegen. Unbedingt.
Klettergarten Salares am Valparolapass
Gelber Dolomitenfels, wie in den Zinnen, erwartet hier den Klettergartenbesucher. Ausdauerkletterei herrscht vor, besonders empfehlenswert für den Schwierigkeitsgrad sind "Schweitzerkaas" und "Zinnentraining". Das Gross der Routen bewegt sich zwischen 7a und 7c, bis zum ersten Umlenker gibts aber auch leichtere Routen (5c-6b+). Die Routen sind prinzipiell sehr gut abgesichert, viele Express mitnehmen! Wer den gelben Dolomitfels nicht kennt, er schaut unheimlich brüchig aus. Ist er auch, aber in den Kletterrouten halten die Griffe und Tritte schon. Es braucht meistens etwas Zeit bis man sich daran gewöhnt hat. Wenn das Vertrauen da ist, dann macht es richtig Spass, weil sich so viele Tritt- und Griffmöglichkeiten anbieten, was technisch versierten Kletterern mit guter Ausdauer enorm entgegenkommen sollte. Topo gibts auf vertical-life günstig zu erwerben. Durch die hohe Lage und westseitige Exposition auch gut für heissere Tage geeignet.
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Sabine (Mittwoch, 03 Oktober 2018 11:56)
Hallo Patricia,
Das war sicherlich ein ganz toller Urlaub.
Viele tolle Bilder die Du uns da zeigst.
Das macht Lust auf einen weiteren Besuch in den
wunderschönen Dolomiten.
Ganz liebe Grüße
Sabine
von www.moosbrugger-climbing.com