"Wo zum Teufel ist der Einstieg in den SW-Grat des Mönch?" Wir irren an der ultrabrüchigen Wand entlang. Der Führer spricht von einer glatten Verschneidung mit Steigeisenkratzer. Weil mir den Anstieg zu brüchig erschien, bin ich hindurchgelaufen und versuche mich 20m weiter rechts vergeblich. Es ist bereits Mittag und wir wissen auch nicht, ob die Route nach dem erneuten Felsausbruch im August überhaupt noch sinnvoll kletterbar ist. Daher schliesslich die Entscheidung der Route den Rücken zu kehren. Wir beide stehen nicht so auf Bruch, schon gar nicht heute. Unser heutiges Ziel war eigentlich unsere neue Schuh/Steigeisen-Kombi zu testen.
Etwas niedergeschlagen tappen wir hinüber zur Mönchsjochhütte, wo der Einstieg zum Normalweg beginnt. Jetzt bin ich nicht unbedingt Fan der Normalwege, doch was sich uns an diesem strahlenblauen Septembertag auftat, war Spitzenklasse. Über sonnengewärmte Kraxlstellen in solidem, rötlichen Gestein geht es aufwärts, dazwischen immer wieder längere Gehpassagen entlang von ausgetretenen Geröllpfaden. Immer schneller spurten wir hinauf, gewinnen an Fahrt und der Missmut weicht Freude und Glückseligkeit. Unser Tag ist gerettet, trotz des bescheidenen Auftakts.
Dann wartet die Krönung und beinahe Crux des heutigen Tages. Die Firnschneide des Mönch ist bekannt dafür, ausgesetzt und saugend zu sein. Doch was sich uns heute präsentiert, ist nochmals die Steigerung aller Firngrate, die ich bisher begangen habe. Oftmals kaum 20cm breit und am Rand dünn und überwächtet zieht die schneidige Firnlinie gen Himmel. Ich bin schwindelfrei, dachte ich zumindest immer. Und ich liebe das Spielen mit Exposition, das Balancieren und Gleichgewicht halten, ausloten der Grenzen. Doch an diesem Stückchen Firngrat bin ich fast davor zu kapitulieren. Wir beide. Wir haben Angst, fühlen uns blockiert. Ich bin mir in diesem Moment nicht sicher, ob es eine gute Entscheidung war uns auf diesen Firngrat einzulassen mit neuer, ungewohnter Ausrüstung. Wenn nur einer von uns einen Fehler machen sollte, die Konsequenz liegt glasklar auf der Hand. Ob die 2m Sprungseil zwischen Leben und Tot entscheiden werden?
Doch wir sind bereits in die Einbahnstrasse gestartet, hinter uns zwei Seilschaften mit Bergführer losmarschiert. Umdrehen unmöglich, denn ein passieren der anderen Seilschaften ist für uns mit dieser Ausrüstungskombi nicht möglich. Unsere weichen Schuhe verunmöglichen ein Steigen mit Frontalzacken, mein Carbonpickel frisst sich auch nicht gerade solide ins Eis ein. Nein, wir müssen weiter. Schritt für Schritt, hochkonzentriert und 101% solide. Langsam, extrem langsam. Wir reden uns gut zu, kommunizieren um den Zustand des anderen zu filtern. Aufmerksam, fokussiert. Die Ausgesetztheit nimmt zu, doch letztendlich ist es die Konsequenz, die uns beiden zu schaffen macht. Als wir den letzten Schritt machen um auf den kleinen Gipfel zu steigen, weicht die Angespanntheit schlagartig. Ein Stein fällt vom Herzen, ein mächtiger Kaventsmann, der da Richtung Boden fällt.
Interessanterweise gestaltet sich der Weg zurück deutlich weniger angsteinflössend. Ist es die Gewöhnung? Ist es das Vertrauen ins eigene Können? Ist es der niedrigere Körperschwerpunkt und die damit verbundene stabilere Standposition? Vermutlich ein Gemisch aus vielen Faktoren. Jedenfalls sind wir froh, als wir wieder sicheren Boden unter den Füssen haben, sprich Fels- und Geröllterrain.
Ich habe diesen Firngrat bereits vor vielen Jahren im Abstieg begangen, allerdings im Juni, nach der Nollenroute. Die Firnauflage war damals eine andere und der Grat irgendwie breiter, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, dass ich ins Zögern und Hadern gekommen wäre. So kann man sich täuschen mit den Normalwegen, wie so oft bestimmen die Verhältnisse über die Schwierigkeit!!!
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