Mit jedem Schritt durchkämmen die gespreizten Finger die herbstlich rot gefärbten Heidelbeerstauden. Grabsch. Hmmm, wie köstlich. So eine unerwartete Wegzehrung versüsst den doch eher botanischen Anstieg auf den ersten Gipfel auf dem Weg zum Leissiggrat. Von Saxeten bin ich heute aufgebrochen, über die noch mit Morgentau bedeckten, feuchten Wiesen aufgestiegen. In zwei langen Kehren habe ich den dichten Wald durchschritten und bin bei der Alp Ausserberg fälschlicherweise straight hinauf in den Wald. Tierspuren hatten mich verleitet, ich dachte auf dem Rücken schon vorwärts zu kommen. Irgendwann steilte sich das Gelände aber zunehmend auf, wurde verwachsener und ziemlich botanisch. Die Flucht nach vorne gestaltete sich mühsamer als gedacht, aber schliesslich erreichte ich diesen, mit zigtausend Heidelbeersträuchern übersäten, Geländerücken kurz unterhalb der Rotenegg (1889m), wo das eigentliche Objekt der Begierde, der Leissiggrat, seinen Anfang nimmt.
Auf Trittspuren durch die Botanik führt das Weglein ab jetzt immer entlang der Gratkante, natürlich mit sagenhaft schönen Ausblicken auf die beiden blauen Seen, den Thuner und Brienzer See. Ohne grossartige Schwierigkeiten überwindet man im Auf und Ab einige Hügel im Leissiggrat, bevor der letzte grosse Aufschwung zum Morgenberghorn Gipfel schon von Weitem furchteinflössend wirkt. Aber auch dieser entpuppt sich als weniger dramatisch, das meiste wird auf der Nordwestseite auf Steigspuren umgangen, ein origineller Durchschlupf in einem kaminartigen Schluff erfordert zwei Kletterbewegungen, der Rest ist wieder Grasgelände.
Formschön, das ist er allemal der Leissiggrat, und besonders im Spätsommer nach dem ersten Frost auch eine Augenweide mit all den roten Farbtupfern. Botanik und steigen auf grossen Grastritten sollte man lieben, sonst ist man hier aber Fehl am Platz.
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