Es gibt drei markante Berge hoch über Grindelwald, die mit ihren steilen Flanken und Wänden das Auge des Betrachters magisch auf sich richten. Im Westen der geschichtsträchtige Eiger, im Osten oberhalb der Grossen Scheidegg das Wetterhorn. Und dann wartet in der Mitte zwischen diesen beiden Giganten ein Berg, dessen Namen wohl nur Einheimische kennen: Mättenberg. Steile Grasmatten, durchsetzt mit leuchtend hellen Felswänden prägen diesen unbekannten Berg in der goldenen Mitte. Diese Mitte tritt besonders auf dem Gipfel in Erscheinung, die Aussicht von hier oben ist phänomenal! Doch bis man dazu kommt, die Bergwelt vom Top diesen Berges zu bestaunen, braucht man recht viel Durchhaltewillen...
Die Pfingsteggbahn würde den Anstieg um 400Hm verkürzen, ich parke allerdings das Auto auf dem kostenfreien Parkplatz am Eingang der Gletscherschlucht. Natürlich möchte ich zuerst einen Blick in diese enge Schlucht hinein werfen und vor allem die kühle Luft aufsaugen, bevor ich mich in die Glut der Mittagshitze begebe. Die Abkühlung bleibt nicht lange, bereits auf halbem Wege zur Bäregg trifft mich die pralle Sonne, ein kühles Citro im Schatten der Sonnenterrasse der Bäregg belebt Körper und Geist. Von hier lässt sich der weitere Anstieg gut inspizieren. Doch Achtung, der Schein trügt. Der Anstieg gestaltet sich deutlich länger als es von hier den Anschein hat! Satte 1400Hm gilt es in durchwegs weglosem Gelände zu überwinden.
Direkt hinter der Hütte folge ich einer Spur den Wiesenrücken hinauf, Brennnesseln picksen meine Waden. Das kann ja heiter werden...zum Glück ist dieses Minenfeld schnell passiert und ich erreiche eine Stange, die den Anstieg markiert. In weiterer Folge steuere ich die glatten Platten, in deren Mitte ein Bächlein rinnt, an. Normalerweise würde man diese in einem Linksbogen über die steilen Wiesen umgehen. Ich wähle sie aber als Anstiegsweg, weil sie in der direkten Linie nach oben führen, ich jederzeit Wasser nachfüllen kann und mir diese weniger mühsam erscheinen, als die unebene und steile Wiese. Detail am Rande: für den Abstieg habe ich sogar die rechte Wiese gewählt, die kerzengerade und sehr steil direkt zur Bäregg hinunter führt.
Schliesslich steilt sich das Gelände etwas auf, linkerhand findet sich eine gute Passage zur Überwindung des Aufschwungs, bevor man den grossen Schutttrichter, welcher vom Mättenberg hinunter zieht, erreicht. Und definitiv hier ändert auch der Charakter der Tour. Folgte man bis hierhin grasigem Gelände, das ab und an felsdurchsetzt war, geht es ab nun an nur noch über Schutt und Fels. Da es keine Wegspur gibt, ein mühsames Unterfangen. Und zu guter Letzt baut sich eine Felsbastion vor einem auf, wo auf den ersten Blick nicht so richtig ersichtlich ist, wo der einfachste Anstiegsweg verlaufen mag. Ich lasse mich von einer Stange hoch oben auf einem Felskopf verleiten und klettere zu früh linkshaltend hinauf. Im Nachhinein ist man ja meistens schlauer, ich hätte mich weiter mittig bergan begeben müssen und wäre dann zu einer Felsstufe mit Fixseil und anschliessender Rampe, welche bis zuoberst hinaufleitet, gekommen. So erklettere ich in flechtigem Gneis direkt die Markierungsstange und frage mich dabei noch, wie das im Abstieg wohl werden würde.
Ein Steinhaufen markiert den höchsten Punkt, spätestens hier fällt die Anspannung vorerst ab und der Blick weitet sich auf die umliegenden Berggiganten. Markant das Schreckhorn im Süden, noch markanter der Eiger, dessen Mittellegigrat aus dieser Perspektive eine Haifischflosse bildet. Richtig scharf geschnitten. Der Tiefblick auf die Bäregg ist gigantisch und man realisiert schnell, warum der Anstieg sich so in die Länge gezogen hat. Es ist 16 Uhr, wolkenlos, ein Prachtstag, und selbst hier oben auf 3000m rinnt mir der Schweiss von der Stirn, einfach so, im Sitzen. Zeit, den nächsten Zuckernachschub auf der Bäregg einzuholen.
Besonders der obere Abschnitt im Erosionskessel erfordert viel Aufmerksamkeit und behutsames Steigen. Ein kleiner Stein kommt schnell ins Rollen und donnert dann mit viel Glück an nachfolgenden Bergsteigern vorbei. Wohl so geschehen, als ich noch im Aufstieg unten auf den Wiesenmatten war. Ein Surren, Blick nach oben, wow, Flugobjekt links oben im Anmarsch, zack, donnert es zum Glück in gutem Abstand an mir vorbei. Ein Helm hätte da aber auch nichts mehr gebracht...
Sobald man wieder grasigen Untergrund unter den Sohlen gespürt, darf man etwas durchatmen. Mit einem grobstolligem Profil frisst sich die Gummimischung zuverlässig in das Gras hinein. Trockene, stabile Verhältnisse sollte man also unbedingt abwarten, bevor man diese Route angeht. Ich wollte nur ungern dort oben auf dem Mättenberg ein aufziehendes Gewitter beobachten...
Auf den steilen Grasmatten, von unten betrachtet, rechts des felsig-plattigen Wasserlaufs, stossen meine Knie dann an ihre Grenzen. Ich bin froh, als ich mich mit meinem zweiten Citro auf der Sonnenterrasse der Bäregg niederlassen kann. Der Hüttenwirt dort ist äusserst laufbegeistert und wir tratschen etwas über den Mättenberg, über die Ausrüstung, über die Laufstrecke zur Bäregg. Das ist toll, wenn Gastgeber aufgeschlossen und begeisterungsfähig sind und all ihren Gästen, ob Wanderer, Bergsteiger oder eben Trailläufer, wohlwollend bewirten. Daumen hoch!
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