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Konkordiaplatz Winterzelten und Skihochtouren

"Dies ist ihre luxuriöse Terrasse von 6 Quadratkilometern, geniessen Sie Ihren Aufenthalt bei uns im Zimmer 1001 im Hotel Campinski. Wenn Sie noch etwas benötigen für Ihren 4-tägigen Aufenthalt über die Ostertage in völliger Friedlichkeit und Stille, dann sagen Sie es bitte jetzt. Sind Sie einmal beim Jungfraujoch ausgestiegen und den Menschenmassen entflohen, erwartet Sie die endlose Weite zwischen gigantischen Eisriesen und die Einfachheit des Lebens auf dem Gletscher. Sie werden mit Ihrem Yallo-Netz keinen Empfang haben und dürfen Ihren Aufenthalt entspannt, ohne den Stress der Zivilisation und der ständigen Erreichbarkeit, geniessen. Nur Sie beide, die Natur und Ihre Phantasien. Herzlich willkommen auf dem Konkordiaplatz!"

 

 

So oder so ähnlich präsentierte sich uns das Abenteuer Winterzelten auf dem Konkordiaplatz, welches schon lange in unseren Köpfen kursierte. Doch nie bot sich die Konstellation mit dem entscheidenden Schönwetterfenster von mehreren Tagen, der Abenteuerlust und der Voraussetzung frei zu haben. Als sich der Wetterbericht über die Ostertage von gruselig schlecht zu perfekt strahlend blau änderte, war die Idee schnell aufgegriffen. Vorabklärungen mit diversen Behörden und Organisationen, ob man überhaupt dort oben am Konkordiaplatz für mehrere Tage zelten darf (also nicht biwakieren!) hatten wir schon Wochen vorher unternommen.

 

Mit der fetten Sau, aka 75l-Trekkingrucksack, ratterten wir also am Karfreitag mit vielen anderen den noch garstig gefrorenen Gletscher vom Jungfraujoch hinunter. Dunst lag in der Luft und färbte das Licht pastellfarben. Bei einem grossen Gletschertisch mit Windkolk am nördlichen Rand des Konkordiaplatzes deponierten wir das Material. Etwas Luxus sollte schon sein, mit Materialzelt, doppelten Mahlzeiten und grossem Basislagerzelt, schliesslich ist Winterzelten für uns verweichlichte Wellnesssportler schon Herausforderung genug;-) Sogar eine Einbauküche schaufelte uns Hari aus dem Windkolk heraus, windgeschützt mit Sitzgelegenheit zum Schneeschmelzen und Kochen. 

 

Klein Wannenhorn

Eine Willkommenstour sollte es aber noch geben. Ein richtiger Hatsch zur Einstimmung auf die trügerischen Distanzen rund um den Konkordiaplatz. Über den flachen Aletschgletscher läuft es mehr oder weniger passabel hinaus, bröckelnde Moränen und hohe Eiswände schmücken den Wegesrand. Über eine steile, noch schattige Rampe geht es ziemlich steil in Spitzkehren zu bereits sonnenüberfluteten, breiten und weniger steilen Hängen hinauf. Unter rostroten Felstürmen und Blöcken bis hinauf zum Wannenhornsattel, wo sich kurz darauf ein Panorama der besonderen Art auftut: wie auf einer Himmelsleiter, gespickt mit spitzen Nadeln kraxeln wir über den exponierten, aber flachen Grat hinüber zum Klein Wannenhorn. Mächtiger Tiefblick ins Fieschertal, ein kleines, aber feines Gipfelkreuz, dazu windstill und absolut ruhig. Fast surreal sitzen wir auf dem winzigen Gipfel und bestaunen den Ausblick. Pünktlich auf die Minute sind wir anschliessend parat für eine Firnabfahrt der Extraklasse. Vom Sattel bis hinunter auf den Gletscher, 5cm aufgetauter Firn und weiter unten Sulz vom Feinsten. Wow, das hat gefegt! Und dabei war das erst der Anfang!

 

Grünegghorn und Gross Grünhorn

Von unserem Basecamp aus erstrahlt das Gross Grünhorn bis zum Sonnenuntergang in weichem, gelblich gefärbtem Licht. Wir brauchen uns also für diese Tour in der Früh nicht beeilen, die westseitige Ausrichtung gönnt uns viel Ruhezeit nach der gestrigen, langen Tour (der Rückweg über den Aletschgletscher zog sich immens...). Wärmende Sonnenstrahlen gibts um 8:45Uhr, Frühstückszeit mit Ausblick und Vorfreude auf die bevorstehende Tour. Ganz so einsam wie am Wannenhorn sind wir heute nicht unterwegs, aber von überlaufen kann keine Rede sein. Wir begegnen 2 Seilschaften, einer am Grünegghorn, der anderen am Gross Grünhorn. Die Verhältnisse sind optimal, die Kletterei somit genussreich, die Wege ausgetreten, auch die Wechtenpassage auf ca. 3480m ausgeschaufelt. Genussbergsteigen, passend zu unserem Luxusurlaub. Als Sahnehäubchen präsentiert sich die Abfahrt über den sehr spaltigen Gletscher hinunter auf das Ewigschneefeld. Umgeben von Seracs und Eiswülsten, in diversen Blautönen schimmernd. Wir wählen nicht die Standardroute, sondern folgen einer recht gut eingefahrenen Abfahrtsroute weiter nördlich. Spannend auch das Labyrinth, welches normalerweise am südöstlichen Rand umfahren wird. Auch hier profitieren wir von einer kecken Spur hinein ins Labyrinth, nicht direkt ins Herz, aber doch so weit, dass die Eismassen aus nächster Nähe bestaunt werden können. Dazu perfekt aufgeweichter Sulzschnee, hart genug, um Spaltenbrücken gefahrlos überfahren zu können, weich genug um in der Bobbahn von einem in den nächsten Turn mit einem lauten Slush geworfen zu werden.

 

Finsteraarhorn

Der grosse Frühjahrsklassiker. Höchster Berner Alpen Gipfel. Und für mich ein besonderer Berg, liegt die sommerliche Besteigung doch schon sehr sehr lange zurück. Wir brauchten damals mehrere Anläufe, als Schüler "by fair means" hiess das vom Oberaarsee jedesmal aufzubrechen und mehrere Tage am Stück unterwegs zu sein...Heute präsentiert sich uns der formschöne Berg in perfekten Verhältnissen, der Grat ist bestens ausgetreten, es ist windstill am Gipfel und durch die Kälte und nächtliche, sehr gute Abstrahlung haben wir den ganzen Tag zur Verfügung. Bei der Grünhornlücke empfängt uns erstmals die Sonne, bis dorthin heisst es allerdings frieren. Wir haben beide eine kalte, schlaflose Nacht hinter uns und das ewige Schneeschmelzen bei den niedrigen Temperaturen in der Früh trug auch nicht gerade zum Wohlfühlfaktor bei. Irgendwo muss man halt Abstriche machen, die ganze Welt kann ja nicht nur aus Ponyhof bestehen...

Vom Fieschergletscher unterhalb der Finsteraarhornhütte gilt es 1350 Höhenmeter bis zum Gipfel zu vernichten. In ziemlich direkter Linie, kein Gehatsche, klasse! Doch auch diese Höhenmeter ziehen sich, die Höhe macht sich bei mir bemerkbar und mit dem Gipfel permanent vor Augen lassen sich die Höhenmeter nicht so leicht aus dem Ärmel schütteln. Kämpfermodus on. Erst ab dem Skidepot stellt sich eine angenehme Leichtigkeit ein, der Steinbock ist in seinem Element. Kraxelpassagen an griffig gutem Fels, dazwischen rasten die Alusteigeisen in den gefrorenen Schnee kraftvoll ein. Kombiniertes Gelände, wie ich es liebe. Von Osten zieht es kräftig auf den Einschartungen direkt am Grat hinauf, auf der Westseite friedlich Sonnenschein und Windstille. Nachdem wir azyklisch unterwegs sind, begegnen wir nur noch wenigen Seilschaften am Grat. Den Gipfel teilen wir uns zu fünft. Für einen Ostersonntag kann von Überlaufen einmal mehr keine Rede sein. Dass wir dann ein befreundetes Päarchen am Skidepot antreffen, lässt doppelt Freude aufkommen, wir verabreden uns für ein Bier auf der Sonnenterrasse der Finsteraarhornhütte, bevor wir den langen Rückweg über die Grünhornlücke antreten. Im Nachmittagslicht cruisen wir schliesslich in feinstem Sulz bergab auf den Konkordiaplatz, der letzte Tourentag nimmt sein Ende.

 

Im Licht der untergehenden Sonne die Tütennahrung zu löffeln, unbeschreiblich. Dabei die Tage Revue passieren lassen, die Panoramen und Erlebnisse noch einmal durchzugehen, traumhaft. Das kleine Abenteuer "Zelten auf dem Konkordiaplatz" wird einen grossen Platz im Langzeitgedächtnis einnehmen. Diese Stille, Weite und Mächtigkeit der Dimensionen, der Mensch so klein, die Natur so gross und wild. Bleibende Eindrücke. Abrupt erwacht man aus diesem Traum am Jungfraujoch, Maskenmenschen, die Zivilisation will uns krallen. Ob es ihr gelingt? Beim Tippen dieser Zeilen einen Tag später bin ich jedenfalls noch nicht so ganz angekommen...

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Kommentare: 1
  • #1

    Ottokar.groten@kabel.bw (Dienstag, 26 Oktober 2021 22:24)

    Liebe Patricia,
    Wir kennen uns vom Täschhorn, vor 3 Jahren, als mit der Skistock brach, weshalb ich 400 m unter dem Gipfel abbrechen musste. Bin nun durch Zufall auf diesen Bericht von Eurem Zelt-Stand-Quartier gestoßen. Das habe ich auch schon zweimal gemacht, das erste Mal Ostern 1976, weil es hieß, die Konkordia sei rammelvoll. Damals gab es noch keine Isomatten, wir haben als Isolierung zum Schnee einige Zeitungspapier verwendet, das hat sich aber nicht so besonders bewährt. Anderntags haben wir den Trugberg gemacht, am 3. Tag das Kl. Wannenhorn (wie Ihr), dann aber weiter zur Riederfurka und zur Oberaletschhütte>Aletschhorn>Schinhorn>Beipass usw. Das zweite Mal nach meinem Lawinenunfall 1989, den ich als einziger von 5 überlebt habe. Anderntags haben wir das Aletschhorn über die Haslerrippe gemacht, der Rückweg, weil sich einer nicht übers Dreieckhorn traute, nach Mittelaletsch hinab und viele Kilometer wieder den Aletschgletscher hinauf zum Zelt. An: 23 Uhr.... Den Bericht schicke ich Dir mal direkt per Mail. Liebe Grüße, Ottokar

Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschafterin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

Online-Autorin SAC Tourenportal

Autorin Trailrunning Guidebook

 

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