Die Saison 2021 startet verhalten, immer wieder gibt es Neuschnee, die Felsen der hohen Gipfel sind frisch angezuckert. Doch für Freitag, den 02.07. melden die Wetterfrösche ein Schönwetterfenster mit nahtlos blauem Himmel in der Höhe. Die Temperaturen verhalten wie der Sommer, eine frische Bise. Nun gut, die kurze Hose bleibt besser im Schrank, dafür wandern winddichte Leggins an meine Beine, die wasserdichten Gamaschentrailrunner an die Füsse und Leichtsteigeisen/Carbonpickel in den Rucksack. Ebenso eine Primaloft und Schutz gegen die prognostizierte Bise.
Um 5:30Uhr verlassen wir Saas-Fee bei der Kirche, meine Zweifel, ob wir es am heutigen Tage überhaupt bis zum Gipfel schaffen, ertränke ich beim kompromisslos steilen Anstieg bis zur Mischabelhütte. Die vielen Kehren sind mir von anderen Touren bestens bekannt, ebenso das seilversicherte Stück, das zwar für Ablenkung sorgt, aber auch den Puls gehörig in die Höhe rauschen lässt. "Embri oder embrüf?", werden wir auf der Mischabelhütte wortlos empfangen, wir müssen schmunzeln, "embrüf natürlich!". Keine Zeit für einen schnellen Kaffee, den gibts erst später bzw. den Wiederbelebungskoffeeinschock in Form einer 0,5er Coki.
Auf dem Mischabelgletscher zum Windjoch ist der Schnee bereits recht gut verfestigt, wir kommen gut vorwärts. Ich kann kaum meine Blicke von der leuchtenden Nordostwand der Lenzspitze abwenden. Eine grandiose Flanke, ein Leintuch. Oben sehen wir eine Aufstiegsspur. Doch unser Plan ist ein anderer, Hari supportet mich zum Nadelhorn hinauf. Die Lenzspitze gibts in meinem zweiten Leben, wenn mir die schnellen Sachen wieder weniger Freude bereiten;-)
Unterhalb des Windjochs, persönliche Kreise. Es ist kalt, ich friere. Mit Primaloft, Handschuhe, Kapuze fühlt es sich erträglicher an, aber weit ab von pudelwarm. Die Bise bläst auch oben am Grat munter weiter, eine Mischung aus Pulver- und Pressschnee ermöglicht zwar den Anstieg mit unserem Equipment, dafür ist jeder Schritt mühsam. Zum Glück ist tatsächlich nichts blank. Darauf haben wir spekuliert, wäre der Plan nicht aufgegangen, hätten wir das Vorhaben vorzeitig beenden müssen. So aber geniessen wir die oberen Meter in griffigem Fels und windstillen Einbuchtungen auf der Ostseite zum Auftauen der Hände. Tja, mein Laster, wird mit dem Alter leider auch nicht besser: die Empfindlichkeit meiner Finger gegenüber Kälte, Schnee und Eis.
Nach 3 Stunden und 38 Minuten am Gipfelkreuz abgeklatscht. Wow, coole Sache! Der Moment wie immer nicht in Worte zu fassen. Nicht wegen der Zeit, die ist mir eigentlich egal. Sondern dieses Panorama, wie es halt immer hoch oben an einem 4000er ist: überwältigend schön!!! Egal ob mit Bergschuhen oder schneetauglichen Trailrunningschuhen. Die hohen Gipfel der Alpen, der Schweiz oder auch anders wo, immer eine Reise und ein Erlebnis wert!
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