Letztes Jahr verbrachten wir die 4 strahlend blauen Ostertage auf dem Konkordiaplatz, diesmal liebäugelten wir noch etwas mehr mit Komfort. Frühstücken, steile Couloirs, anschliessend die müden Muskeln im Sprudelwasser auffrischen und am Abend diese mit einem grosszügigen Abendessen für den nächsten Tag auf Vordermann bringen. Das klang nach einem Plan!
Wir quartieren uns also ziemlich kurzfristig in Bourg-Saint-Pierre, im Hotel Bivouac de Napoléon, mit Halbpension ein. Ein eher alter Schuppen, doch das Äusserliche trügt, Personal/Speisen und vor allem der Spa-Bereich sind top und endlich dürfen unsere marginalen Französischkenntnisse mal wieder zum Einsatz kommen. Vom Hotel kann man entweder direkt losstarten für die Couloirs am Petit Combin oder man fährt 5 Minuten mit dem Auto bis zum Parkplatz von Bourg-Saint-Bernard, von wo aus die Mont Vélan Touren und alles am Col du St. Bernard erreichbar ist.
Mont Vélan, Couloir Central
Bekanntlich lag diese Saison eher unterdurchschnittlich viel Schnee und die grossen Flanken an den hohen Bergen waren meist blank gefegt. So überraschte es uns doch, dass zumindest die Couloirs ganz gut in Schuss waren. Bis auf das Couloir d'Annibal, welches mit zwei kleinen Eisstufen uns einen zweiten Anlauf bescherte, da wir das falsche Equipment dabei hatten. Mit Carbon Pickel und Alueisen nicht gerade optimal, mit 30m Strick und Eisgeräten bewaffnet ein Leichtes. So entschieden wir uns kurzerhand am ersten Tourentag um und steuerten das Zentrale Couloir an, welches bereits recht gut frequentiert war. Mit 600m Länge und 45° Steilheit sind diese Couloirs auf der Mont Vélan Westseite bei Firnbedingungen ein Traum: easy hochstapfen anstatt tief im Pulver wühlen. Und doch, die Höhe inklusive Sauerstoffmangel und monotonem Schritt macht sich in den Muskeln mit einem konstanten Brennen und heftiger Atmung bemerkbar.
Zum Ausstieg hin steilt sich das Teil nochmals hübsch auf, die Exposition dreht auch ein wenig (weniger Sonneneinstrahlung), so dass der Abfahrt hier besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, sonst droht ein übler Schnellabstieg über ein benachbartes, felsiges Couloir. Darunter dann ab 13Uhr herrlicher Firn und Sulz bis praktisch zum Parkplatz. Grandios!
Petit Combin par le Glacier Pendant und Combin de Corbassière
In der Nacht waren die Abstrahlungsverhältnisse suboptimal, wir erlebten auf dem Rückweg fast unser Waterloo. Bist du schon mal in einer weiten Landschaft voller Nassschnee fast steckengeblieben? Ich jetzt schon. Das ist echt alles andere als lustig, wenn du mit den Ski einfach 1m in die Schneedecke einbrichst. Egal ob flach, ob mittel steil (steil geht eh nicht, weil sonst der ganze Shit mit dir abrutscht!), bei jedem Schritt bzw. Fahrversuch "wumm", einbetoniert. Krass!
Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt, das Couloir hinauf zum Petit Combin über den abgeschmolzenen Glacier Pendant lässt einen schnell Meter gewinnen. Allerdings lag schon recht viel Lawinenschnee drin, so dass wir die Abfahrt über das etwas flachere Couloir WNW bevorzugten. Der Zusatzgipfel des Combin de Corbassière ist wirklich noch lohnend, die Aussicht von oben auf den Grand Combin fantastisch. Und ausserdem wartet dort oben ein schönes Gipfelkreuz (wer Gipfelkreuze liebt...auf der eher langweiligen Schneekuppe des Petit Combin steht nämlich keines).
Mont Vélan, Couloir d'Annibal
Nachdem uns die Lust auf die Skitragerei und das Gewühle im Betonschnee vom Vortag vergangen war, starteten wir nochmal einen Versuch am Mont Vélan, diesmal bewaffnet mit Eisgeräten, Seil und sogar einer langen Eisschraube mehr pro Person, um Abalakovs zum Abseilen einrichten zu können. Für alle Fälle, man weiss ja nie...Dass der erste Aufschwung auch links in den Felsen umgangen werden kann, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht und aus der Ferne wirkte das ganze doch mächtiger und steiler, als es dann in Wirklichkeit war. Und trotzdem haben sich die Eisgeräte und das kurze Seil ausgezahlt, so konnten wir das Couloir auch wieder abfahren, abrutschen bzw. abseilen und nicht über das Couoir Central kneifen.
Wie alle Couloirs am Mont Vélan gilt auch für das Annibal, die Länge macht die Würze. Wie im Aufstieg, so auch in der Abfahrt. Schnaufen, brennende Waden und Oberschenkel, das gehört am Mont Vélan wohl einfach dazu;-)
Unsere Abfahrtszeit so gegen 13Uhr war einmal mehr ganz gut gewählt, nur diesmal mussten wir bereits die letzten 50m zum Parkplatz tragen. Die Aprilsonne brannte erbärmlich!
Les Monts Telliers
Letzter Tag. Eine Chilltour musste her, so dass wir die gnadenlose Sonne noch einmal auskosten und vom herrlichen Firn profitieren können. Dazu bot sich die Region rund um das Col du St. Bernard an. Ohne Skitragen, ohne lang Zustieg, einfach von Anfang an in schöner Natur. Der Preis dafür sind die Menschenmassen. Aber es verteilt sich dann doch, die Hänge sind breit, die Landschaft weit und letztenendes haben wir doch alle das gleiche Ziel: Geniessen, Schwitzen, Draussen sein und Skifahren. Der eine schneller, der andere langsamer...
Facts:
- Gute Infos zu diversen Anstiegen in der Region findet man auf camptocamp.org, oft mit Fototopo und den zu erwartenden Schwierigkeiten und Verhältnisberichten wie z.B. hier: https://www.camptocamp.org/routes/46038/fr/petit-combin-couloir-w-par-le-glacier-pendant oder hier https://www.camptocamp.org/routes/45518/fr/mont-velan-couloir-d-annibal
- Hotel: https://www.bivouac.ch/de/
Kommentar schreiben