Remy-Touren treffen nicht immer meinen Geschmack, doch den Klassiker am Sanetsch, die "Follomi"-Route am Montons von 1990 (2016 saniert, Plaisir-Abstände) wollte ich schon lange in Angriff nehmen. Überhaupt, hatte ich es bis dato noch nicht zum Sanetsch geschafft. Irgendwie zu umständlich zu erreichen. Glaubte ich zumindest. Bis uns dieser Samstag eines besseren belehrte. Mit der Kraftwerks-Seilbahn von Gsteig kinderleicht hinauf zum See, in gut 30 Minuten hinüber zu den Routen am Montons. Warum sind wir nicht schon früher auf die Idee gekommen, den Pass von der Saanen-Seite anstatt der Walliser-Seite anzusteuern?!?
Besser spät, als nie! Kurze Rede, langer Sinn: ich glaube ein neues Lieblingsgebiet entdeckt zu haben. Hier passt einfach alles: Zustiegmeter zu Klettermetern, Felsqualität, Ambiente und im Anschluss in Saanen noch gediegen ein Après-Kletterbier beim Apéro in der Sonne geniessen.
Überrascht nahmen wir zur Kenntnis, dass da gleich von Beginn weg einige Bolts in humanen Abständen uns entgegen blitzten. Sind wir hier richtig? Irgendwie hatte sich in unseren Köpfen das Bild verfestigt, dass die Klettereien am Sanetsch berühmt berüchtigt sind für Platten-Runouts. Oldschool-Style eben aus den 90er Jahren. Die Sanierungsaktion bescherte der Route anscheinend einige zusätzliche Bolts, jedenfalls muss man sich nirgends mehr fürchten, teilweise für unseren Geschmack sogar sehr entgegenkommend gesichert. Was nicht heisst, dass nicht mehr geklettert werden muss, aber die schwierigen Stellen befinden sich immer in Bolt-Reichweite.
Nach zwei durchschnittlichen Längen (durchsetzt mit Schrofen) folgt Prachtslänge um Prachtslänge. Besonders die 4. SL hatte es mir angetan: eine Steilplatte, rauh und glatt, mit nur wenigen Strukturen, die genau an der richtigen Stelle sitzen. Besser hätte es der Hallenschrauber auch nicht fertig gebracht. Tolle Bewegungen werden hier abgefragt, einfach fantastisch. Danach folgt noch eine Genuss-Rampe vom feinsten. 5 Sterne-Länge!
Immer wieder gibt es Stellen, die auf den ersten Blick richtig schwierig aussehen, die sich aber, einmal mitten drin befindend, in Wohlwollen auflösen. Angemerkt, wenn man denn ein gutes Auge und Bewegungsrepertoire für die feinen Strukturen und Reibungstritte hat. Die beiden letzten Seillängen sind auch der Hammer, Seilzug schmälert etwas die Kletterfreude. Zunächst eine elegante Platte, dann ein spitzfindig-kräftiger Überhang. Der anschliessende Adlerhorst-Hängestand nicht unbedingt bequem. Eine abdrängende Seillänge, die anfangs recht anhaltend, später in fette Henkel und sandsteinartiges Gestein (wie im Raum Interlaken - Hohgant-Sandstein?) übergeht, folgt auf den Hängestand. Grandios, ich schwärme, Abdi auch.
Für den Abstieg empfiehlt es sich Schuhe mit guter Reibungssohle anzuhaben, die roten Punkte führen über die ein oder andere wasserzerfressene Platte;-).
Infos "Follomi":
- nach alter Bewertung 6b+, nach neuer 6c (8SL)
- Routenname angeschrieben, auch bei den Routenkreuzungen
- plaisir-mässig abgesichert, trotzdem habe ich an einer Stelle einen mittelgrossen Keil versenkt (in den ersten Bolt zu bomben find ich weniger cool...)
- herausragende Passagen, viel schöner Fels, teilweise schon etwas abgenutzt, aber nicht wirklich störend
- zum abseilen eigentlich nicht eingerichtet, es hängen allerdings teilweise Karabiner und Schnapper in den Standplätzen
- Sonne pur von früh bis spät (wenn sie denn scheint, was am Sanetsch nicht immer der Fall ist;-)
Infos rundum:
- Seilbahn fährt 8:30Uhr bis 17Uhr, 18CHF retour
- geht sich zeitlich also schön aus für eine Route und noch ein, zwei Längen Baseclimbs bzw. ein kühles Getränk auf der Sonnenterrasse der Auberge du Barrage (www.tacave.ch/de/sanetsch/)
- empfehlenswert: in Saanen Apéro (feini Plättli, Pizza,...) und Panache draussen bei der Bar Vieux Four (www.vieuxfour.ch)
- am Sanetschpass geht es eher ruhig zu
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