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Üssere Fisistock über Halpi und Brünnlital

Nicht zum ersten Mal denke ich mir, dass die Gegend rund um Kandersteg ein Juwel ist. Meist nur für den einzigartigen Öeschinensee beachtet, finden sich noch zahlreiche Perlen dieser Art mehr in der Bergwelt vor dem Lötschbergtunnel. Wie eben dieser Fisistock. Wer schon mal auf der Sonnenterrasse der Doldenhornhütte gesessen ist, wird die abweisenden, steilen Felswände, die sich vor seinen Augen auftürmen, bestaunt haben. Sie bilden die Abbrüche des Fisistock, dessen höchster Punkt mit kleinem Gipfelkreuz den Üsseren Fisistock markiert.

 

Drei Zustiege sind für den Alpinwanderer denkbar: über den Bibergpass, das Brünnlital und das Halpi, wobei die sehr steile, feuchte, steinschlägige und nicht ganz einfache Variante entlang von Drahtseilen und Ketten über den Bibergpass gewöhnlich nur im Aufstieg begangen wird. Ich entschied mich für die Kombination von Halpi im Aufstieg und Brünnlital im Abstieg, um auf dem Rückweg noch bei der Doldenhornhütte einen Stopp einlegen zu können. Die Wirtsleute dort sind einfach mega freundlich, Aprikosenkuchen und Plättli unschlagbar gut.

 

Die steilen, mit grossen Felswänden, Schluchten und Abbrüchen durchzogenen Steilflanken, welche vom Inneren Fisistock ins Gasteretal hinabziehen, sind wirklich beeindruckend. Daher ist es umso erstaunlicher, dass dort mittendurch eine recht gute Pfadspur führt, wo man ohne Kletterei zu den Grasflanken des Halpi gelangt. Ich war jedenfalls schwer beeindruckt. Vielleicht auch wegen den wabernden Wolken, welche sich so früh am Morgen noch entlang der Hangflanken aufhielten und immer wieder nur für kurze Zeit die Sicht auf die zerklüftete Gletscherfläche des gegenüberliegenden Balmhorns freigaben. Eine mystische Atmosphäre.

 

Von der breiten Strasse im Gasteretal, bei einer Bank und Feuerstelle, zweigt im Gras eine gut ausgetretene Spur in den Wald hinein ab. Dieser Pfad bleibt im Prinzip immer gut, u.a. auch mit Markierungen bestückt, bis zu den Grasflanken des Halpi, wo mich eine grosse Schafherde freudig empfängt. So gern ich auch die pelzigen Tiere habe, doch diese Schar an blökenden Schafen war mir dann doch zu gross. Innert kürzester Zeit war ich umzingelt. Nur ein Bergsprint nach oben konnte mich von den Tieren loslösen. 

 

In den Grasflanken des Halpi verliert sich die Spur, man hält sich daher leicht ansteigend, gelangt von Rippe zu Rippe und schliesslich erreicht man knapp oberhalb der Felsabbrüche ins Gasteretal hinab wieder Steigspuren bzw. Trampelpfade der Schafe. Es finden sich auch immer wieder Markierungen und Steinmänner, die davon zeugen, dass man noch immer auf der richtigen Spur unterwegs ist. Was einem teilweise schwierig fällt zu glauben angesichts der beeindruckenden, einsamen Landschaft hier oben. Felswände oberhalb, von denen grosse Schuttflächen herabziehen. Die Steigspur selbst führt nur knapp oberhalb der Abbrüche entlang, zwar nie wirklich exponiert, aber an vielen Stellen sollte man trotzdem nicht Stolpern. Nach Unwettern kann die gute Spur auch vom sich ständig bewegenden Schutt verschoben und überspült sein. Man sollte sich also trittsicher im Schuttgelände fortbewegen können, um diesen Aufstieg auf den Fisistock geniessen zu können.

 

Am Ende der langen Querung erreicht man schliesslich ein grosses Schuttbecken, dass vom Fulegletscher hinabzieht. Hier steigt der Pfad nun steil über losen Schutt nach oben an. Zwei Schritte nach vorne, mindestens einer zurück. Immerhin zeugen einige Spuren davon, dass man nicht der Erste ist, der sich hier mühsam hochkämpft. Weiter oben wird es dann besser, Markierungen zeigen auch wieder den besten Weg durch das unübersichtliche Gelände. Denn die Fläche im Sparre erinnert an eine Mondlandschaft. Im Rücken nun das Kleindoldehorn, dessen Westflanke von geschwungenen Rinnen durchzogen ist und alles andere als einfach zu besteigen aussieht.

 

Schliesslich von Südwesten zum höchsten Punkt mit Gipfelkreuz hinauf. Nach Norden bricht der Gipfelaufbau überhängend (!) zur Doldenhornhütte hinab. Sehr beeindruckend. Ich traue mich kaum bis zum Rand vorzugehen aus Angst, dass die abgespaltenen Schuppen mit einem lauten Knall abbrechen könnten. Ruhe herrscht, ein laues Lüftl kommt von Norden herauf, ich tue also gut daran mir ein Rastplatz auf der Südseite zu suchen um das Gipfelbuch durchzublättern. Der Üssere Fisistock bekommt nur selten Besuch, umso schöner ist es die raren Einträge zu studieren. 

 

Der Abstieg durch das Brünnlital zieht sich, anfangs noch entlang einer guten Spur, verliert sich diese im riesigen Blockfeld, welches die komplette Talmitte bedeckt. Irgendwann ist auch dieses mühsame, aus unzähligen instabilen Felsblöcken bestehende Blockfeld überwunden und das saftige Grün der Weiden der Fisialp empfangen mich. Das ist das schöne und für mich so faszinierende am Berner Oberland, im Gegensatz zum Wallis. Von unwirtlichen Welten bestehend aus karger Mondlandschaft, dem typischen Berner Oberland Bruch und Schutt, entspringen grüne Wiesen übersäht mit bunten Blumen und einer grandiosen Pflanzenvielfalt. Insekten schwirren umher, bald darauf sind auch Kuhglocken zu hören, die Zivilisation naht.

 

Mit der Doldenhornhütte zum Abschluss fügt sich diese Rundtour in eine der "must do" Routen ein. Für Alpinwanderer eine Perle, die im Schatten des Öeschinensees steht. Eigentlich gut so, bleibt sie so eine Oase für Ruhesuchende...

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschafterin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

Online-Autorin SAC Tourenportal

Autorin Trailrunning Guidebook

 

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