Mit dem Wetterhorn verbindet mich mehr als nur eine weitere Nummer oder ein Häkchen im Tourenbuch. Hier hätte die Abschlusstour meines Hochtourenkurses enden sollen, vor über 20 Jahren. Leider war die Dossenhütte damals bereits ausgebucht als unser Tourenleiter spontan beschloss die Abschlusstour umzuplanen, weil am Blüemlisalphorn schlechte Verhältnisse herrschten. Somit hatte ich seit her nur im Winter die Ehre mit Ski das formschöne Wetterhorn zu besteigen. In den Sommermonaten kam es bisher (aus mir im Nachhinein betrachtet unerklärlichen Gründen) nicht dazu, dass wir das Wetterhorn ins Auge fassten.
Das Willsgrätli entspricht ja so ganz und gar meinen Vorstellungen von einer netten Kraxltour. Schön abgeklettert, eine gewisse Länge aufweisend und vor allem: kein Hochbetrieb. Den brauch ich auf den schuttbedeckten Berner Oberländer Bergen definitiv nicht, Steinschlag ausgelöst von anderen Seilschaften ist einfach nur grauslich.
Wir starten also gegen 8Uhr am Morgen im angenehmen Schatten zur Glecksteinhütte hinauf. Der Hüttenweg ist bereits ein Festmahl fürs Auge, ein schmaler Weg, oftmals ziemlich exponiert, welcher Richtung Oberer Grindelwaldgletscher auf halber Höhe über der Schlucht das Tal hineinführt. Es poltert, es knackt, dann bricht wieder ein Stück vom zerborstenen Gletscherende die Schlucht hinunter. Ein Naturschauspiel, dem man von der Hütte in gutem Abstand genüsslich zusehen kann.
Von der Glecksteinhütte folgen wir den blau-weissen Markierungen Richtung Chrinnenhorn, bevor nach rechts mit weissen Markierungen der Abzweiger zum Wetterhorn beginnt. Hier wurde mit Farbe nicht gespart. Bis zu dem kleinen Überbleibsel des Chrinnengletschers sollte man den Zustiegsweg also kaum verfehlen können. Oberhalb des Chrinnengletschers baut sich beeindruckend und furchteinflössend zugleich die steilen Flanken des Wetterhorns auf. Brüchige Wände aus gelbem und grauem Gestein, doch zunächst gilt es noch im Gneis Meter zu machen. Wir finden den Gletscher immerhin noch schneebedeckt vor, zumindest dort, wo wir auf- und absteigen wollen. Nebenan beginnt er bereits massiv auszuapern. Kurz, bevor man wieder den Fels betritt um die Gneisrippe zu erreichen, klafft eine Spalte auf, sie ist in der Mitte allerdings noch gut bedeckt und der Schnee pickelhart gefroren. Kein Problem also.
Die Rippe aus schönem Gneisgestein erinnert mich schwer an den Anstieg zur Dossenhütte und den Dossen. Anregendes Gelände, das einfach nur Freude bereitet um Höhenmeter zu machen. Über uns türmen sich allmählich die brüchig-gelben Wände des Wetterhorns auf, Zeit um auf die nächste Rippe zu wechseln, das eigentliche Willsgrätli, das aus dem für die Region typischen kleinsplittrigen Fels besteht. Dieser ist allerdings so gut abgeklettert, dass auch diese wohl ehemals brüchige Rippe nun mit viel Freude empor gestiegen werden kann. Die Querung von Rippe zu Rippe ist mit ein paar Stangen ausgerüstet, das Terrain erlaubt keinen Fehltritt.
Überhaupt heisst es auf der ganzen Route viel Konzentration walten zu lassen, dies gilt insbesondere für den Abstieg. Auch wenn die Kletterei wirklich nie schwierig ist, exponiert ist sie allemal und wo ein Stolperer enden würde, kann sich jeder leicht ausmalen. Zwei Stellen bleiben mir in Erinnerung, die etwas kniffliger sind, bei der unteren kann auch an einem Bolt darüber abgeseilt/abgelassen werden im Abstieg.
Am Wettersattel empfängt uns ein kühles Lüftchen, wir setzen unseren Aufstieg sodann gleich weiter fort. Steigeisenkratzer weisen den Weg, mit Bergschuhen stelle ich mir das Gelände noch eher unangenehm vor. Kalkplatten mit Schutt darauf. Mit unseren flexiblen Trailrunningschuhen spürt man jeden Tritt genau, die Sohle schmiegt sich sanft dem Untergrund an. Und trotzdem lassen wir uns im Abstieg Zeit und setzen uns lieber einmal mehr auf den Hosenboden zum "abrutschen". Wir sind nach über 4 Stunden seit unserem Aufbruch bei der Abzweigung zur Glecksteinhütte von der Scheideggstrasse am Gipfel angekommen, weit und breit keine Menschenseele ausfindig zu machen. Herrlich. Ich schätze es sehr, dass wir azyklisch unterwegs sein können (wir hatten 100% stabiles Wetter!). Erschreckend allerdings der Ausblick auf die umgebende Gletscherlandschaft, es ist erst Anfang Juli, die Gletscher sehen aber aus wie im September! Extrem spaltig und grau. Kein schönes Bild und es gibt mir zu denken, dass die nächste Generation diese Schönheiten vielleicht schon nicht mehr vorfinden wird.
Für den Abstieg brauchen wir fast gleich lang wie für den Aufstieg. Wie bereits erwähnt gilt es hier die Konzentration nicht zu verlieren, was bei der Länge des Willsgrätli und der Gneisrippe durchaus anspruchsvoll ist. Umso entspannter dann bei der Glecksteinhütte das fette Stück Aprikosenkuchen und ein erfrischendes, eisgekühltes Möhl und Citro. Es knackt bereits wieder, die Gletscher zerbröseln, das Schauspiel geht weiter begleitet von einem unaufhörlichen Rauschen der Naturgewalten. Gletscherwasser stürzt in die Tiefe und reisst den ein oder anderen Brocken mit, der zerschlägt, zerspringt und mit lautem Getose weiter die Schlucht hinab kullert. Ich könnte hier ewig verweilen, lauschen, die Augen schliessen und ein Nachmittagsschläfchen machen. Aber nein, wir müssen noch ins Tal die Tour beenden. Mit glühenden Füssen und überhitzten Köpfen sind wir am späten Nachmittag dann wieder zurück beim Auto. Leider mit einer saftigen Busse: 220CHF! Das war ein teurer Spass. Diese Info möchte ich euch nicht vorenthalten, wer in der Kurve der Glecksteinhütte parkt und keine Bewilligung dafür hat, muss sich auf ein teures Nachspiel gefasst machen. Fahrverbot sowie Parkverbot missachtet, macht in Summe 220CHF...
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