Die Dent Blanche - ein formschöner Berg mit ebenmässigen Flanken und 3 markanten, langen Graten. Sie steht sehr frei und daher wird ihr die Show nicht von anderen Bergschönheiten, von denen es im Umkreis doch einige gibt, gestohlen. Alle Anstiege sind durchaus als anspruchsvoll zu bezeichnen, wobei der Normalweg über den Südgrat bei trockenen Verhältnissen einfache Genusskletterei in griffigem und festem Gestein parat hält. Wir wollten den letzten Schönwettertag einer langen Schönwetterperiode nutzen, um die Besteigung diesen Bergs in unserem Stil (vom Tal, leichte Ausrüstung) verwirklichen zu können.
Der Ausgangspunkt Ferpècle im hintersten Talschluss des Val d'Hérens ist wunderschön wild und einsam, hier gibt es nichts ausser wilde Natur, rauschende Gletscherbäche und felsige Bergspitzen, die aus den grossen Gletscherflächen herausragen. Wir verbringen also die Nacht am "Ende der Welt" und starten am Morgen mit dem ersten Tageslicht um 5:30Uhr in der noch angenehm kühlen Morgenluft hinauf über Bricola zur Cabane de la Dent Blanche. Der Trail schlängelt sich zu Anfang mit nur wenig Höhengewinn durch lichten Lärchenbestand und liebliche Natur. Gerade richtig zum Wachwerden. Dann steilt er sich auf und überwindet in vielen Serpentinen die Steilstufe hinauf zum Gebäude von Bricola. Bis zum P. 2642 läuft es sich wieder prima und man hat genügend Zeit die umgebende Kulisse zu bestaunen. Fast schon ein Flowtrail.
Abrupt ändert sich ab hier aber das Gelände, der Gletscherschwund macht sich bemerkbar und man gewinnt nur mühsam über Schuttflächen, instabiles Blockwerk und Moränengelände die festeren Gletscherschliffplatten, über die es zumindest entlang von blauen Markierungen etwas besser vorwärts geht. Insgesamt fordert der Hüttenzustieg doch einiges an Kraftausdauer, Orientierungsvermögen und Gleichgewichtsfähigkeit. Ein Hüttenzustieg für Bergsteiger, nicht für Wanderer und Tagesgäste, wie sonst üblich auf den meisten SAC Hütten. Nach 2:50h erreichen wir, zum Schluss über den aperen Gletscher, die kleine, karge Hütte, welche am Fuss des Sporns liegt, der auf die Wandflue hinaufleitet. Es ist kalt, es luftet, wir ziehen uns langärmelige Bekleidung an und stülpen eine Windjacke über.
Nach der kurzen Verschnaufpause im Vorraum der Hütte geht es über schöne Felsen in anregender Kraxelei der Sonnen entgegen. Fluch und Segen. Zum einen gut, wenn man beim Hüttenzustieg nicht schon völlig dehydriert, zum anderen produziert der schattige, westseitige Anstieg aber auch ein düsteres Ambiente, dem man möglichst rasch entkommen möchte. Umso mehr blendet die Sonne beim Betreten der Wandflue. Sonnenbrillen auspacken, Crampons anlegen, Pickel raus. Wir staunen nicht schlecht über die zahlreichen Spalten hier oben. In einem normalen Sommer schätze ich, dass man kaum Notiz von den Spalten nehmen tut. Die Querung zum Einstieg des Grats über P. 3905 fängt bereits langsam an eisig zu werden. Am Felsgrat angekommen deponieren wir Crampons und Pickel, der Weiterweg bis zum Gipfel ist komplett schneefrei.
Es folgt herrliche Kraxelei, genussreiches Höhersteigen und auch mal Zupacken am griffigen Felsgrat. Mal direkt über die Kante, mal etwas unterhalb in der Flanke. Der Weg ist eindeutig, die Steigeisenspuren am Fels zeugen von der Beliebtheit des Anstiegs und weisen die richtige Spur. Am grossen Gendarm halten wir uns links um im Couloir, welches komplett trocken ist, höherzusteigen und den Grat hinter dem Gendarm zu erreichen. Es folgen abermals kleine Aufschwünge und exponierte Abschnitte. Luftig zu beiden Seiten. Herrlich. Ich mag es noch gerne, wenn man den Aufwind von beiden Seiten gespürt;-)
Nach etwas über 2 Stunden (ab der Hütte) erreichen wir das wunderschöne Gipfelkreuz der Dent Blanche. Es ist herrlich warm, kein Wölkchen am Himmel zu sehen. In Summe haben wir also plus/minus 4:50h für den Gesamtaufstieg ab Ferpècle benötigt. Wir profitierten durchgängig von den ausgezeichneten, trockenen Verhältnissen und verwendeten kein Sicherungsseil (welches Hari allerdings im Rucksack mitführte, man weiss ja nie, was einen wirklich erwartet, wenn man die Route nicht kennt!). Auch für den Abstieg wählten wir jeweils die Abklettervariante, also genau dort, wo wir aufgestiegen sind. Es finden sich allerdings zahlreiche Abseilhaken an den Felsvorsprüngen zum abseilen. Wir bevorzugen die Abkletterei, weil sie einfach effizienter und deutlich schneller ist, als wie wenn mit Seilen hantiert wird.
Fast alle Seilschaften, die am heutigen Schönwettertag von der Hütte gestartet sind, befinden sich noch im Abstieg. An den längeren Abseilstellen staut es, die exponierten Gratpassagen werden zurückgeklettert und gesichert. Für den Abstieg sollte man daher gleichviel Zeit einrechnen wie für den Aufstieg. Auch wir benötigen nochmals fast 2 Stunden bis zur Hütte zurück. Eine Bemerkung möchte ich an dieser Stelle noch loswerden: Wer in das Abklettern investiert und richtig fit im Abklettern wird, wird feststellen, dass er Touren plötzlich deutlich schneller machen kann. Es sind oft die kleinen Stellschrauben, die enorm viel ausmachen können. Man muss keinen Marathon in 2 Stunden rennen können, aber wer bis zum oberen dritten Grad sicher und solide im Auf- wie im Abstieg ist, wird klassische Bergtouren (Normalwege) in schnelleren Zeiten (und damit auch weniger Expositionszeit in steinschlaggefährdeten Bereichen (wie dem Couloir bei der Umgehung des grossen Gendarms) absolvieren können. Ist das nicht Anreiz genug, technisch versierter zu werden? Schneller und gleichzeitig sicherer unterwegs zu sein?
Fazit Dent Blanche:
Ein wunderschöner, abgeschiedener Berg und vergnügsamer Anstieg über den Südgrat. Definitiv empfehlenswert!
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