Bisher habe ich das Baltschiedertal gemieden. Zu lange erschienen mir die Zustiege für die Touren dort. Ein kapitaler Fehler, wie sich jetzt herausstellte. Jeder einzelne Zustiegsmeter ist es wert zurückzulegen!
Zustieg und Stockhornbiwak:
Ja, der Zustieg ist lang. Distanzmässig (es sind fast 10Km vom Parkplatz in der Kurve bei P. 1265 weg). Aber er ist wunderschön und eigentlich nur im letzten Drittel etwas mühsamer. Zu Anfang geht es ebenmässig an der Niwärch-Suone entlang, ein klassischer, herrlicher Suonenweg mit der ein oder anderen ausgesetzten Passage:-). Danach flowig im Talgrund von Senntum, erst nach der Martischipfa-Brücke beginnt der Wanderweg an Steigung zuzulegen und unwegsamer zu werden. Nach der Hohbitzu-Kapelle folgt man noch ein Stück dem Baltschiederklausehüttenweg, bis an einem kleinen See links der blau weisse Stockhornbiwakweg abzweigt. Eine höhere Felsstufe um zum Plateau, wo auch das Biwak liegt, zu gelangen, wird in einem felsigen Couloir überwunden. Es ist mit Seilversicherungen und klettersteigähnlichen Versicherungen ausgestattet.
Das Biwak selbst erinnert an eine Raumkapsel. Ziemlich spacig von Aussen. Innen dann recht gemütlich, wenn auch etwas klein für 18 Personen, wobei der Biwakwart Simon die Online-Reservation nur für 12 Personen aufgeschalten hat. Ich möchte aber auch nicht mit 12 Personen dort nächtigen. Wir waren zu 6, das war sehr angenehm. Eine weitere Frauenseilschaft und eine Bergführerseilschaft. Das Biwak ist offen, wer allerdings auf etwas Komfort nicht verzichten möchte, organisiert sich bei Simon einen Schlüssel für die Schatztruhe, die unter dem Biwak liegt. Da diese Saison kein Schneefeld mehr zum Schneeschmelzen vorhanden ist, hat er einen 400l Tank aufgestellt. Wasser ist nämlich Mangelware an dem ansonsten sehr schönen Platz direkt am Fusse des Stockhorns auf einem aussichtsreichen Vorsprung mit Blick über das gesamte Baltschiedertal hinaus.
Simon, der Biwakwart, ist sehr bemüht und mega freundlich. Bitte haltet das Biwak sauber und bezahlt was ihr konsumiert habt. So ein Service von ihm ist nicht selbstverständlich! Vielen Dank dafür Simon!
Kletterei über die 5 Türme des Südgrats auf das Stockhorn:
Hier braucht es nicht vieler Worte, ausser: dies ist eine der schönsten Touren, die ich bisher gemacht habe. Wirklich! Fester Fels vom ersten bis zum letzten Meter!
An Ausrüstung hatten wir ein 40m Einfachseil, dies ist ausreichend zum abseilen und praktisch im Seilhandling, da man das meiste simultan am gestreckten Seil klettern kann und dann nicht so viel verkürzen muss. Für den 5. Turm und damit die schwierigere Kletterei lohnt es Kletterfinken mitzunehmen. Der Fels ist dort eher rund, stelle ich mir noch schwierig in Bergschuhen oder Trailrunningschuhen im Vorstieg vor, auch wenn Bohrhaken drin stecken. Die Route ist mit Bohrhaken an den schwierigen Stellen bestückt, es gibt auch einige Schlaghaken oder mal einen Fixfriend. Zusätzlich sichert man die meiste Zeit mit Zackenschlingen bzw. mit Seilreibung an Köpfeln. Friends können eingesetzt werden, braucht es aber nicht zwingend, wenn man solide im 3. und 4. Grad klettert. Wir haben vom Biwak bis zum Gipfel ca. 4 Stunden 50 Minuten gebraucht.
Noch eine lobenswerte Bemerkung zu den beiden anderen Seilschaften:
Weil die Kletterei so lohnend am Stockhorn ist, aber auch ziemlich lang, wird man nur selten alleine beim Biwak sein, weil sich nicht so viele Tage im Sommer zur Tour eignen. Sich engen Raum mit Fremden teilen, kann durchaus zur Herausforderung werden. Diesmal wurde ich äusserst positiv überrascht, wir sechs hatten es sehr gut miteinander. Die beiden einheimischen Damen, Brigitte und Cornelia, stellten sich gleich mit Namen vor, als sie das Biwak erreichten. Das schafft von Anfang an eine positive Atmosphäre. Wir schenkten im Gegenzug frisch gebrühten Kaffee aus und kamen so schnell ins Gespräch. Die beiden französischsprachigen Männer, Cyrille und Olivier, verhielten sich anfangs ruhiger, später allerdings brach Cyrille das Eis (= Sprachbarriere) und wir hatten es auch mit ihnen sehr sehr nett auf dem Biwak. Ob bei der Schlafplatzwahl, dem Wasser abkochen oder sauber machen, jeder half mit und so hatten wir eine wirklich gute Zeit dort oben. Miteinander statt gegeneinander. Das gefällt mir sehr und das ist eigentlich auch das, was ich in den Bergen erwarte: Bergkameradschaft. Vielen Dank Brigitte, Cornelia, Cyrille, Olivier und natürlich Michaela, meine Kletterpartnerin, für die entspannte Nacht auf dem Stockhornbiwak (auch wenn ich mal wieder kein Auge zumachen konnte) und die wohlwollende Atmosphäre auch während der Kletterei.
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