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Jegigrat Überschreitung

Immer. Wirklich immer schweift mein Blick über diese dunkelrote Felsbastion zwischen Jegihorn und Fletschhorn im Tourengebiet der Weissmieshütte, wenn ich auf Hohsaas mit der Bahn hinaufschwebe. Die Genussklettereien am Jegihorn haben wir bereits alle und mehrfach begangen, das Fletschhorn über den vollständigen SW-Grat bestiegen, auch am Jegigrat sind wir bereits eine der Plaisirrouten geklettert. Doch die Gratüberschreitung? Ein guter Dreier sollte es sein und eher alpin. Die Tourenberichte, welche ich vorab schnell googelte, lesen sich allesamt positiv. Von "exponiert" und "ganz und gar nicht banal" ist die Rede. Zeit - sich ein eigenes Bild zu machen.

Wir schweben also einmal mehr auf Hohsaas hinauf, eine angenehme Frische empfängt uns auf 3200m, noch herrscht Schatten und wir profitieren von den kühlen Temperaturen und dem raschen Abstieg hinab zur Moräne und weiter auf dem Steiglein zum Einstieg des Klettersteigs. Viele Wege führen hinauf zum Jegigrat: Originaleinstieg, über den Gendarm, eine der Plaisirrouten oder eben den Klettersteig, um den Jegigrat in seiner vollen Länge auszuschöpfen. Zwar liegen die Schwierigkeiten nicht im ersten Teil, doch die West nach Ost Traverse bedingt einen humanen Auftakt , gerade richtig zum aufwachen und die koordinativen Fähigkeiten auf Vordermann zu bringen.

 

Der Klettersteig ist anregend und macht Freude, da man grossteils natürliche Strukturen verwendet und nicht an Leitern langweilig hinaufsteigt. Oben am Grat angekommen, verlässt man den Klettersteig und wandert über den hier noch sehr breiten "Grat" (es ist eher eine Fläche bzw. ein Felsrücken) der Nase nach über Felsblöcke und Schutt, je mehr man sich rechts an der Abbruchkante hält, desto mehr Fels bekommt man unter Füsse und Finger. Schliesslich nimmt die Wanderung Fahrt auf, aus dem Rücken wir tatsächlich ein Grat - und was für einer: exponiert und schmal. So wie die Beschreibungen es bereits andeuteten. Wir seilen an. Kaum drauf folgt bereits der erste Abseiler, von denen es einige haben wird. Oftmals nur für wenige Meter, aber eben, man braucht ihn, an abketten ist nicht zu denken. 

 

Immer und immer wieder folgt eine Passage, die von Weitem als "unmachbar" ausschaut, bei näherer Betrachtung sich dann aber in Wohlgefallen auflöst. Unglaublich. Ich schwärme. Es ist wirklich ausgesetzt. Mir gefällt's. Und der Fels, so schön griffig und fest. Es steckt nicht viel im Grat an Eisenmaterial. Die Abseilstellen sind eingerichtet und gegen Ende zu beim Grossen Gendarm stossen wir auf den ein oder anderen Bolt, aber sonst, schön alpin. Köpfelschlingen finden immer mal wieder Verwendung als Zwischensicherung, auch der ein oder andere Friend wandert in einen Riss als provisorischen Stand oder Zwischensicherung. Wir klettern grossteils simultan, nur die schwierigeren Passagen oder sehr exponierten Abschnitte werden vom Standplatz aus gesichert. In Summe, um an diesem Grat keine Zeit zu vertrödeln, sollte das Seilhandling mit aufnehmen, verkürzen, verlängern, abseilen, ablassen, ...funktionieren. Auch wie man geschickt über Seilreibung sichert und die dazu geeigneten Features rasch erkennt. Wer dies weniger beherrscht, wird vermutlich länger am Grat brauchen, als geplant und eine Nächtigung in der sehr engagiert bewirteten Weissmieshütte bevorzugen.

 

In der Scharte nach dem grossen Gendarm schliesslich ist der Spuk vorbei. Zuvor war noch der "Tisch" zu überwinden, eine witzige Boulderstelle, die recht Kraft und entschlossenes "Hau-Ruck" erfordert. Steinmänner weisen ab nun den Weg hinab durch das schuttige Couloir. Den Helm sollte man hier definitiv noch anlassen. Auch wenn ich es persönlich jetzt nicht als besonders steinschlägig empfand, da der Abstiegsweg geschickt über Rippen verläuft, so sollte man doch, besonders bei mehreren Leuten im Couloir, Acht geben. Immer wieder schweift auch hier der Blick in die umgebenden Felswände, es ist eine faszinierende Landschaft aus rotem Gestein, das so schön mit dem Weiss der Gletscher und dem Blau des Himmels kontrastiert. Schliesslich, am Fuss des Gendarm angelangt, kämpft man sich noch über ein grosses Blockfeld, (der mühsamste Teil), in dem man sich bevorzugt nach rechts hält, um wieder auf Steinmänner zu treffen, die zur Moräne führen. Ab hier leitet der Weg schnurgerade zur Weissmieshütte hinab. Allein der Abstieg über die Moräne ist eine Tour am Jegigrat wert. Diese Moräne mit ihren farbigen runden Steinen, welche in den hellen Staubboden eingebettet sind, faszinieren! Gemsen springen umher und zeigen, wer hier Chef ist. Es rauscht, ein Lüftchen weht. Hier fühlt man ziemlich stark die Kraft der Natur.

 

Da wir noch Zeit haben, bis die letzte Gondel um 16:45 ab Kreuzboden ins Tal fährt, kehren wir noch bei Roberto und seinem Team in der Weissmieshütte ein. Ein feines Rösti muss her und ein letzter Blick zurück über den scharfkantigen Jegigrat, der im Nachmittagslicht noch roter als Rot leuchtet. 

 

 

Facts

Jegigrat, ZS+/ 3+

  • Topos rund um das Tourengebiet der Weissmieshütte: https://weissmieshuette.ch/aktivitaeten/klettern/
  • Für einen längeren Abseiler ist ein 50m Seil nötig bzw. eine zusätzliche Rapline zum kürzeren (30 oder 40m) Einfachseil. Ansonsten war unser 40m Seil für alle anderen Passagen ausreichend.
  • Fahrplan Hohsaas Bergbahnen: https://hohsaas.ch/de/bergbahnen/fahrplan
  • Tipp: bereits ab einer Übernachtung (und dies kann der Campingplatz sein) im Saastal, erhält man die Saastal Card, mit der man gratis alle Bergbahnen (ausser hinauf auf Mittelallalin) und den ÖV benutzen kann.

 

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschafterin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

Online-Autorin SAC Tourenportal

Autorin Trailrunning Guidebook

 

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