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Grisighorn ab Belalp

Bevor der erste Schneefall angekündigt wird, überkommt mich meist der stille Drang, Abschied mit dem Sommer zu nehmen. Ein letztes Mal hoch hinaus, Höhenluft schnuppern, alpinen Fels angreifen und das Panorama, das sich zwangsläufig aus der Höhenexposition ergibt, einsaugen. Ich erinnerte mich an eine Tour, die mir Abdi empfohlen hatte: schöner Fels und als Loop eine Halbtagesunternehmung ab Belalp. In der Nebensaison fährt die Seilbahn ab Blatten hinauf zur Belalp allerdings nur dreimal am Tag, ich musste meine Ankunft also ziemlich gut timen, um aus der Tour nicht doch eine Tagesunternehmung zu machen.

 

Ziemlich schnell verlässt man den Wanderweg und lässt die Häusersiedlung auf der Belalp hinter sich. Grasige, teilweise moorige Flächen, alle weglos, türmen sich vor mir auf. Den Punkt P.2747 anfixiert, suche ich mir meinen eigenen Weg hinauf zur Scharte über Graspolster, Blockfelder und bin noch überrascht, auf alte, verblasste Markierungen an dem ein oder anderen Felsblock vorzufinden. Noch bin ich im Nebel und die Schönheiten der umgebenden Bergwelt lassen noch auf sich warten. Erst ab der Scharte bei P. 2747 öffnet sich die Hochnebeldecke und lässt mich erstaunen: Felsgrate und schmale Rinnen, darüber türmt sich weiss das Bietschhorn auf, ganz im Hintergrund im Süden die hohen Walliser 4000er. Ich bin sprachlos und freue mich endlich Hand an den sonnengewärmten Fels anlegen zu dürfen. Dieser entpuppt sich als schöner, griffiger und meist auch ziemlich fester Fels mit herrlichen Strukturen. Ich halte mich daher ziemlich direkt an die Gratkante um die schönsten Klettermeter mitzunehmen. Man könnte auch das ein oder andere in der brüchigen Flanke umgehen, verpasst dann aber den Teil, warum man eigentlich hier her kommt: Genussklettern.

 

Schliesslich, nach einem fast horizontalen Gratstück, erreiche ich die Crux. Laut SAC Tourenportal gibt es drei Möglichkeiten, die Passage zu bewältigen. Erstens abseilen, zweitens in der Westflanke in brüchigem Terrain absteigen und umgehen, drittens überhängend und grossgriffig abklettern. Ich entscheide mich für letzteres, eine gute Wahl für all diejenigen, die nicht vor einer überhängenden 8m Rissverschneidung zurückschrecken (die Kletterschwierigkeit ist definitiv grösser als 3c! Die Stelle aber nicht exponiert, allerdings möchte wohl kaum jemand rücklings in das darunter befindliche Blockfeld detonieren...). Es folgt der letzte lange Aufschwung bis zum Gipfel, der wohl viele Varianten zulässt. Nach gut einer Stunde Kletterzeit ab P.2747 setze ich mich neben das kleine Gipfelkreuz und geniesse den Augenblick. Ich weiss, es wird das letzte kleine Abenteuer dieser Art für diese Saison sein. Dass mit den wabernden Wolken und der pastellfarbenen Stimmung am Himmel dieser Moment besonders eindrücklich werden würde, war mir beim Aufbruch am Morgen zu Hause natürlich noch nicht bewusst. Es sind eben diese winzigen Momente, die mich immer und immer wieder aufbrechen lassen, Neues zu erkunden. Die Freude am Tun, der Aufbruch ins Unbekannte, die Sinne walten lassen und zu schärfen, instinktiv gute Entscheidungen zu treffen. Es ist ein innerer Antrieb, der völlig losgelöst von irgendwelchen Erwartungen, mich leitet und führt: in die Bergwelt hinein, in die Freiheit und Selbstverantwortlichkeit.

 

Facts: Grisighorn

Südgrat 3c, schöner fester Fels, Abseilstelle eingerichtet (falls benötigt wird), ansonsten nicht ausgerüstet

Abstieg T5 über Ostgrat (Wegspuren, im unteren Teil Steinmänner)

Ausgangspunkt Belalp

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschafterin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

Online-Autorin SAC Tourenportal

Autorin Trailrunning Guidebook

 

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