Nach den Jahren 2014, 2017 und 2019 bin ich nun zum vierten Mal hier. Von den Anfängen bis zum heutigen Datum hat sich einiges getan und doch auch sind irgendwo die Uhren stehengeblieben. Wir befinden uns in Griechenland, das ist nicht nur am Temperaturunterschied zu dieser Jahreszeit gegenüber der Schweiz spürbar;-). Aber der Reihe nach...
Gleich vorneweg, es ist fantastisch zu sehen, wie reichhaltig mittlerweile das Angebot an Klettergebieten rund um Leonidio ist. Und dies, ohne Kyparissi miteinzubeziehen! Einen üppig gedeckten Tisch findet der Urlaubskletterer nun besonders in den Schwierigkeitsgraden 6b-7c vor, was in den Anfängen Leonidios weniger gewährleistet war. Da fehlte es an Routen im Mittelbau, an 6c's zum Herantasten, an 7a Kinglines und 7b+ Ausdauerpumpern. Jetzt, im Jahre 2022, werden alle Kletterer bedient, wenngleich die Randbereiche der Skala - damit meine ich kinder-/einsteigertaugliche 4er und 5er Routen bzw. Routen im 9. französischen Grad - Mangelware bleiben. Mir drängt sich sogleich die Frage auf: braucht es diese überhaupt? Und wohin geht die Reise für Leonidio? Muss man immer den Vergleich mit Kalymnos ziehen? Hinkt er nicht von Anfang an, da Kalymnos eine kleine Insel ist?
Das Publikum in Leonidio ist zweigeteilt: Da gibt es eine zunehmende Schar an Kletterern, die dort überwintern. Die einfach mal das Leben in Deutschland, in Österreich, in der Schweiz oder auch in Israel (es wird zunehmend internationaler, nicht nur deutschsprachig!) hinter sich lassen und mit ihrem fahrbaren Untersatz ein Kletterernomadendasein pflegen. Die andere Population an Kletterern ist der Urlaubskletterer, der die Annehmlichkeiten einer netten Unterkunft, authentisch-griechischen Essens in den zahlreichen Tavernen schätzt und die letzten Sonnenstrahlen nach dem Klettern am Meer badend einfängt. Er liebt sein geselliges Bier nach dem Klettern oder nippt am Strohhalm einen erfrischenden, frischgepressten Orangensaft in einer der Bars.
Soweit so gut. Friede. Freude. Eierkuchen. Nicht ganz. Wo es florierende Sonnenseiten gibt, lauern in der Regel auch düstere Schattenseiten. Zum Glück sind sie in Leonidio nicht wirklich düster, eher noch hellgrau. Aber Tendenzen sind zu erkennen...Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis das Stehen mit den Campern an gewissen Orten verboten wird. Die Masse macht's und primär natürlich das Verhalten der Kletterer. Wer von den Einheimischen in irgendeiner Weise (monetär) profitiert, ist für den Klettertourismus positiv gestimmt. Wenn man als Kletterer also Geld da lässt, sei es in einer Bar, in der Taverne, beim Vermieter, Hotelbesitzer, beim Einzelhändler,...wird das Klima in Leonidio auch positiv bleiben. Uns ist jedenfalls aufgefallen, dass wir in der Red Rock Bar, wie auch im alternativ angehauchten Kletterercafé Panjika am Nachmittag nach dem Klettern meist alleine waren (mit ein paar wenigen anderen Kletterern als Ausnahme), die grossen Klettergebiete aber selben Tags immer reichlich besucht waren. Wo also sind diese Kletterer nach Einbruch der Dunkelheit? Ok, man könnte zu seiner Verteidigung erwidern, dass die Red Rock Bar nicht besonders gut geführt ist. Das Personal ist unmotiviert (war es schon seit unserem ersten Besuch 2014!) und über die Musik lässt sich streiten. Und das Panjika ist halt doch sehr sehr alternativ. Auch nicht jedermanns Sache...
Das ist in meinen Augen nach wie vor ein grosser Minuspunkt, dass sich bis zum heutigen Datum kein Kletterertreff etabliert hat. Stellt sich die Frage, warum? Warum werden Panjika und Red Rock Bar von den Kletterern nicht so angenommen, wie man es eigentlich erwarten würde? Was ist am kletternden Volk in Leonidio anders als in anderen Klettergebieten? Und warum schaffen es die Locals nicht das Red Rock besser zu führen oder eine andere Örtlichkeit für die Klettergemeinschaft attraktiv zu gestalten? In allen anderen Restaurants wird man herzlich empfangen, die Besitzer erinnern sich an einen, fragen wie es geht, wie es einem gefällt. Sie arbeiten hart für ihre kletternde Kundschaft, die ihnen die Saison verlängert .
Andernorts stösst man auf die klassisch griechische Art: träg, faul, verschwenderisch und irgendwie ist alles egal. Ein wunderschöner Aussichtspunkt, dahinter türmen sich die Müllberge. Ein wunderschöner Strand, leider von Baracken gesäumt. Sträunende Katzen und Hunde, eine Plage. Das Toilettenpapier auf dem WC in der Bar ist aus, es wird in 10 Tagen Kletterferien nicht nachgefüllt. Müllkübel? Fehlanzeige. Da darf man durchaus länger suchen...
Ihr dürft mir gerne vorwerfen, dass ich ein Wutbürger bin. Ja, ich kritisiere gerne, mach mir Gedanken. Aber nur so kommt auch Fortschritt zu Stande, wenn man bereit ist zu analysieren, Missstände aufzudecken, Gutes und Bewährtes beizubehalten, oder gar zu stärken. Menschen, die sich ins Zeug legen zu loben und zu unterstützen ist immer zuträglich und schafft eine wohlgesonnene Atmosphäre. Vielleicht mach ich mir deshalb so viele Gedanken, weil ich Leonidio seit der ersten Stunde zwiespältig wahrgenommen habe. Auf der einen Seite liebe ich die Klettermöglichkeiten, das Felspotenzial, die super Routen, die meinen Felshunger stillen. Die stets bemühten und von Herzen gastfreundlichen Griechen, welche uns liebevoll bewirten mit authentischer Küche. Auf der anderen Seite stosse ich auf "Missstände" (zumindest in meinen Augen), die meine Ferienstimmung etwas trüben. Es ist halt nicht ganz perfekt. So wie wir Menschen eben auch, doch wir streben halt immer nach Perfektion...
Typisch Griechenland. Müll trübt den Ausblick vom Aussichtspunkt beim Parkplatz des Klettergebiets Miti. Wer entsorgt hier bitte einfach seinen Müll? Und warum stellt die Gemeinde keine Müllkübel auf, die sie dann Bitteschön auch regelmässig leert? Das muss doch mit einer Tourismusabgabe gedeckt werden können...
Versteht mich nicht falsch. Ich liebe Leonidio. Und ich möchte auch kein zweites Kalymnos darin sehen. Ich nehme lediglich seit unserem ersten Besuch wahr, dass gewisse Dinge nicht angegangen werden. Anscheinend blockiert die griechische Mentalität. So schön sie auch zum Entspannen und Urlaubsfeeling verbreiten beiträgt, so hinderlich ist sie, um ernsthaft Themen anzugehen, Ziele zu definieren und umzusetzen. Wenn die Urlaubskletterer schliesslich ausbleiben (und ich sehe diese Tendenz!), werden nicht nur die Klettereien in Leonidio verkommen. Denn wer zahlt schliesslich Sanierungen? Wer hält die Wege instand? Die Locals mit ihren Tavernen und Bars, Ferienwohnungsvermieter und Hotelbesitzer werden weniger Einnahmen haben und der ein oder andere wegbrechen (diejenigen, die auf den Klettertourismuszug aufgesprungen sind). Ich wünsche der Region nicht, dass sie, wie andernorts auch (auf der 3 1/2 stündigen Autofahrt vom Athener Flughafen auf Leonidio sieht man so ziemlich alles!), nur noch aus schäbigen Baracken besteht. Verschwendete Ressourcen, die hässlich das, eigentlich pittoreske, Landschaftsbild verschandeln.
So, genug philosophiert. Nachstehend gibts eine Auflistung der Klettergebiete, die wir in diesem Urlaub besucht haben.
Gebiete, die wir 2022 aufgesucht haben:
Hot Rock. Eines der ältesten Gebiete. Der Name ist Programm, ein sehr sonniges Gebiet mit wunderschöner Wandkletterei besonders zwischen 6b+ und 7a+
Mars. Der meist hoffnungslos überfüllte Klassiker für Sinterrouten und steile, lange Ausdauerpumper. Aber auch schöne Wandkletterei an grauem und rotem Fels. Zwischen 6b+ und 7c gibts richtig viel zu tun...
Cemetery Gates. Ein neuer Sektor mit super Routen an Sintern und Wandkletterei, die nach oben immer steiler wird. Viele sehr lange Linien (Extensions). Eher für den Schwierigkeitsbereich ab 7a zu empfehlen.
Crash of the Titans. Eine Grotte, in der auch bei Regen geklettert werden kann. Kurz und knackig oder Dachkletterei. Hier befindet sich die wohl kurioseste Route, die ihr jemals klettern werdet, mehr möchte ich nicht verraten, aber der Name ist Programm...
Olympos. Mega Sinterlinien in dunkelrotem Fels im Bereich 6c+ bis 7b+ im mittleren Sektor.
Rocspot. Strukturierte Wandklettereien mit Konkretionen in braunem Fels. Am Wandfuss steht man zum sichern mehrheitlich unter Schatten spenden Sträuchern, während die Sonne an den Fels mächtig knallt. Schöne Routen im Bereich 6c/7a. Die leichteren sind etwas nichtssagend, wenngleich genüsslich zu klettern.
Theos Pillar und Cave. Hier tummeln sich meist viele Kletterer. Im Theos Cave sind viele neue Routen dazugekommen. Hier kann auch bei Regen geklettert werden.
Yellow Wall. Lange Wandklettereien im 7a Bereich und ein Wandabschnitt mit etwas kürzeren und steileren (Sinter-)routen.
Das Meer - ständiger Begleiter
Ende November/Anfang Dezember ist sicherlich nicht mehr Saison zum Baden im Meer, allerdings ist die Wassertemperatur noch immer angenehm (teilweise sogar höher als draussen!) und ein kurzer Sprung in die Fluten vor oder nach dem Klettern bietet sich durchaus an. Schöne Buchten (allerdings nur am Vormittag in der Sonne, Ostküste) finden sich an der Strasse von Plaka nach Poulithra. Ich hab es mir an einem eher wolkenverhangenen Morgen nicht nehmen lassen auf dem Rückweg von meinem Strassenlauf (Strecke Poulithra-Plaka und retour) in der schönsten Bucht einen Erfrischungsstopp einzulegen. Sie liegt etwas eingekesselt und geschützt unterhalb der Strasse und ist von der Strasse nicht direkt ersichtlich (Geländer und Sitzbank, Treppen führen hinab). In Plaka hat es einen Kies- und Sandstrand mit Schirmen.
Unterkunft
Wir haben diesmal etwas Neues ausprobiert, was ich gerne weiterempfehle: Studios Polixni in Poulithra. Nur durch die verkehrsarme Strasse vom Meer getrennt, kann man aus dem Bett heraus am Morgen der Meeresbrandung lauschen. Die Studios sind sehr sauber und gepflegt, die Lage ruhig und das Myrtoon (bestes Restaurant weit und breit) nur einen Katzensprung entfernt. Parkplatz vor dem Haus. Die Zimmer werden täglich gereinigt und der Vermieter verwöhnt mit selbstgebackenen, süssen und salzigen Snacks.
Restaurants, Tavernen, Cafés
- Restaurant Myrtoon in Poulithra, Speisekarte
- Restaurant-Pizzeria Pritanion (Πρυτανείον) in Leonidio
- Pizzeria Giouzelito in Leonidio
- Restaurant Pizzeria In Leonidio, Website
- Taverne Εστιατόριο-Ταβέρνα "Η Μουριά" (neben Pritanion)
- Bäckerei Αρτοποιείο Λάτσης (am Ortseingang von Leonidio auf der linken Seite neben dem Supermarkt)
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