Da stehen sie, freudestrahlend auf der weissen Gipfelkuppe der Wyssi Frau. Im Süden begrenzen bereits Wolken die feine Gratschneide der Blüemlisalptraverse, die Sicht nach Norden und damit nach Hause ist noch ungetrübt. Keine 5 Stunden sind seit Aufbruch zur Tour bei Tagesanbruch um kurz nach 5 am Morgen vergangen. Perfekte Verhältnisse mit durchgefrorenem Schnee und einem leichten Waschpulver-Graupelüberzug ab dem Bergschrund, liessen den Anstieg zum reinsten Genuss werden. Das Seil führen wir nur für "alle Fälle" mit, wir fühlen uns pudelwohl und jeder Steigeisenschritt zischt, greift, sitzt. Da wir uns seit fast einem Monat nicht mehr gesehen haben, plaudern wir uns über Hohtürlihang und Gletscherzustieg nach oben. Es läuft einfach, flüssig, stetig, ohne Eile und Hetze. Wir geniessen den Moment, als die Sonne über die Sefinenfurgge kommt und für 15 Minuten das warme Licht die Umgebung in rötliche Farben einkleidet. Der Moment, wo es weder Photoshop noch irgendwelcher Filter bedarf...
Mit Freundinnen unterwegs zu sein, ist irgendwie anders. Nicht besser oder schlechter, aber anders. Die gemeinsame Zeit ist von Harmonie geprägt, von Wohlwollen und weniger von Leistungsanspruch. Nicht, dass wir langsam wären, nein; doch das flüssige Marschieren ist eher Resultat der positiven Synergien, als der Einstellung, schnell sein zu müssen. Es ergibt sich einfach aus der guten Stimmung, dem "gut aufgelegt sein", als dass wir es aktiv forcieren würden...so sind wir durchaus erstaunt, als wir auf eine Seilschaft auflaufen, die gerade in die steile Flanke am Anfang einsteigt, als wir bereits die Spaltenzone hinter uns haben. Ab dem Skidepot hantieren sie mit Seil und sichern von Stange zu Stange über das kombinierte, teilweise etwas mühsame Gelände (typisch abschüssig-splittriger Berner Oberland Fels!). Wir entscheiden uns den Aufstieg im Firn rechterhand davon weiterzuverfolgen und kommen quasi ohne Felsberührung durch. Das spart nicht nur Zeit und Nerven, wir erreichen (unbeabsichtigt) vor den Burschen den höchsten Punkt des Tages. Fast schon etwas peinlich berührt ob unserer Überholaktion, stammele ich etwas von "Danke fürs Spuren".
Just in time sind wird nach gebührender Gipfelrast beim Skidepot zurück. Der Gipfel ist bereits von einer Gipfelhaube vereinnahmt worden, Zeit also die Abfahrt anzutreten, bevor die Sicht schlechter wird. Wir wollen die guten Skiverhältnisse ja nutzen und zügig die steilen Hänge hinab cruisen. Nur das letzte Stück, die steile Wand, ist noch recht hart und die Kanten müssen kräftig zupacken. Auf dem Gletscher dann frisch präparierte Pistenverhältnisse, geilo, das fägt! Das Timing stimmt auch für den Gegenanstieg hinauf zum Übergang, wo uns schöner Sulz am Hohtürlihang im oberen Teil erwartet. Weiter unten dann Sommerschneeverhältnisse, etwas ruppiger mit Tendenz zum Survival-Skiing ;-) Auf den letzten Schneeresten in einer Bachrunse fahren wir bobbahnmässig bis zum grünen Ende im Bergfrühling. 10 Minuten Skitragen, zurück beim Auto auf dem Bundläger. Wow, was eine Tour!
Die Krönung, oder besser gesagt der krasse Kontrast, stellte dann im Anschluss die direkte Fahrt zum Thunersee mit Sprung ins erfrischende Nass dar. Planschen im See, den ersten Sonnenbrand einfangen und zuvor vor wenigen Stunden noch mit kalten Fingern die Gipfeldatteln in einer unglaublich weissen Landschaft mampfen. Das Berner Oberland ist einfach DER Hit. Balkonberge, ich liebe euch!
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