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Hintisberg: Spectacolo

"Spectacolo" verläuft in Falllinie über Michaels Kopf. Das markante Dach, welches an seinem rechten Rand überwunden wird, ist deutlich zu sehen, ebenso die nach links verlaufende Kante der 7b Länge.
"Spectacolo" verläuft in Falllinie über Michaels Kopf. Das markante Dach, welches an seinem rechten Rand überwunden wird, ist deutlich zu sehen, ebenso die nach links verlaufende Kante der 7b Länge.

 

Der Hintisberg, ein beliebtes Kletterziel bei Grindelwald. Seine Vorzüge liegen klar auf der Hand: Südwand, meist solider Fels, ein breites Routenspektrum, kurzer Zustieg und eine fantastische Aussicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau. Besonders im Herbst ist diese attraktive Wand gut besucht, wenn man über dem Nebel Sonne geniessen und gleichzeitig die friedliche Stille der Bergwelt inhalieren kann. Mit dem Wissen, dass dies jederzeit der letzte Klettertag der Saison sein kann, bevor der Winter in den Bergen Einzug hält, begeben wir uns also an die bereits sonnenüberflutete Wand. Die ersten beiden Seillängen bis zum 7a Dach hatten wir bereits letztes Mal noch zum Abschluss unseres Klettertages angehangen. Schnuppern, inspirieren lassen, Motivation fassen für einen ernsthaften Versuch.

 

Jetzt sind wir also wieder hier und trotz unserer erst jungen Kletterfreundschaft (es ist erst die vierte gemeinsame Unternehmung), bewegen wir uns wie ein perfekt eingespieltes Team. Jeder weiss was zu tun ist, jeder Handgriff sitzt. Das ist der Vorteil, wenn zwei alte Hasen aufeinander treffen, geballte Erfahrung und Kompetenz summieren sich. Michael ist für die harten Seillängen zuständig, ich erledige die meist alpiner angehauchten "Zustiegslängen". Somit beginne ich am scharfen Ende des Seils mit der ersten Seillänge, die mit weiten Hakenabständen eher wegweisend als absichernd den Auftakt macht. Die Strukturen des Felsens lesen zu können ist hier definitiv Pflicht. Wer gewohnt ist einer nahen Abfolge von Bolts geradlinig hinterher zu klettern, wird vermutlich orientierungslos zurückbleiben. Die anschliessende 6c+ Seillänge geht bis unter das markante Dach und erfordert kräftiges Leistenziehen. Definitiv nicht geschenkt, aber wenn man die Sequenz einmal einstudiert hat, eine coole Abfolge von Bewegungen.

 

Für Unerschrockene und abgebrühte Alpinisten ist Länge Nummer 3 das Testpiece. Ein Riesendach, welches luftig an seinem rechten Rand überklettert wird. Ich weiss nicht, was bei Dächern angenehmer ist: Vorstieg oder Nachstieg. Beide Varianten sind in meinen Augen grauslich und lassen meinen Puls nur beim Gedanken daran 10 Schläge ansteigen. Wir blieben beim überschlagenden Klettern, das Dach ging also im Vorstieg an mich. Im Nachhinein betrachtet vielleicht sogar die beste Option für unser Team. Denn mit dem Gedanken an dieses gähnend leere Nichts unter mir, konnte ich ungeahnte Kräfte für ein onsight mobilisieren. Die Vorstellung einige Meter weg von der Wand und unterhalb des Dachs im Falle eines Sturzes mich baumelnd wieder zu finden, liess mich kräftig zupacken, gesqueezed unterhalb des Dachs und schliesslich um mich über die Dachkante zu wuchten. Jeglichen Schmalz, den ich in den Unterarmen mobilisieren konnte, opferte ich für diese Seillänge. Zum Glück war Michael erst mal dran mit nachkommen und dann mit dem Vorstieg der beiden Schlüsselseillängen, die erste elegant mit einer technischen Passage und folgender Kraftausdauer, die zweite wieder zum Powermoven über ein Dach.

 

Hier war für mich dann der Ofen aus. Der Tank leer. Die Energie am Nullpunkt. Doch die Motivation war stets noch vorhanden. Zum Anfeuern, zum Lachen, zum Blödeln und natürlich auch um im Nachstieg zumindest möglich viele Sequenzen noch frei zu klettern um beim nächsten Herbstwetter einen erfolgsversprechenderen Versuch starten zu können. Die oberste Seillänge nach dem breiten Schuttband liessen wir aus, sie sieht nicht sonderlich einladend aus und seilten dafür luftig, aber zügig über unsere Route ab.

 

Filidor Extrem West (2010): Zimmermann/Ochsner "Spectacolo" 7b (6c obl.), 160m, 6-7SL

 

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschaftlerin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

Online-Autorin SAC Tourenportal

Autorin Trailrunning Guidebook

 

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