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Sanetsch / les Montons: Ivan

Prolog

Klettern am Sanetsch ist für mich die schönste Art meinen Felsgelüsten in guter Gesellschaft nachzukommen. Der kurze Zustieg, der schnelle Abstieg, die idyllische, ruhige Landschaft und die bombastische Felsqualität erfüllen für mich alle Kriterien eines guten Klettertages. Wäre da nicht diese Hass-Liebe mit der Absicherung und Schwierigkeitsbewertung. Die Remys haben am Sanetsch ihre Spuren hinterlassen und der Kletterwelt unzählige Routen beschert. Aber halt auch in ihrem Stil, der von anfänglich kühnen Routen hinzu plaisirmässiger Absicherung im Laufe ihres Älterwerdens gewechselt hat. In den meisten Routen finden sich mittlerweile zusätzliche Bolts und doch bleiben so manche Stellen obligatorisch, andere wiederum fast übersichert (A0-fähig). Allgemein gilt für den Sanetsch mit viel Respekt und einer guten Sicherheits-Marge im Kletterniveau in Routen einzusteigen. Die Bewertung ist oldschool streng und die Reibungskletterei auf den wasserzerfressenen Kalkplatten nicht Jedermann's Sache. Besonders der obligatorisch zu kletternde Schwierigkeitsgrad kann massiv von dem abweichen, was man sonst so gewöhnt ist. Meine Erfahrung zeigt, dass die Routen im Sektor Hara (von Follomi bis rechts aussen) nicht mit dem zu vergleichen sind, was in den steileren Wänden gefordert wird, trotz gleicher Bewertung! Der Hara Sektor eignet sich demnach gut zum Einsteigen und Herantasten. Wer hier bereits Probleme hat, sollte erst gar nicht mit dem Gedanken spielen in Routen weiter links einzusteigen.

Ivan

Auftakt macht eine steile Seillänge in traumhaftem, messerscharfem Fels, die zum Ende hin (die vielen Bolts verraten es) knackige Moves erfordert. Nicht loslassen und entschlossen über den Bauch wuchten ist die Devise, danach hat man genügend Zeit seine müden Unterarme auszurasten;-) Die Seillänge ist mit vielen Bolts für Vor- und Nachsteiger (Quergang) bestückt, voll angreifen! Über die Sinnhaftigkeit der fast schon zu viel geratenen Bolts um die Stelle auch A0 klettern zu können, lässt sich streiten. Das Gelände wäre steil genug um einen Sturz zu riskieren...Denn ganz anders sieht es in der dritten Seillänge aus, wo etwas gesucht mit dem Platzieren zweier Bolts zwingend über eine krasse Reibungsplatte zu klettern ist, während der Vorsteiger von seinem Sicherungspartner nicht gesehen wird! Der etwas logischere Weiterweg zuerst noch gerade hinauf und dann nach links an kleinen Strukturen über die Platte erfordert aber das Können und die Risikobereitschaft sich ungesichert und mit Verletzungspotenzial, da der linkeste Bolt auf der Platte nicht geklippt werden kann, weiterzubewegen. Ich entschied mich für Variante 2, da mir die Reibungsplatte (6b?!?) ohne Sichtkontakt zu meiner Sicherungspartnerin viel zu tricky erschien.

 

Es folgen weitere Seillängen entlang wunderschöner Felsstrukturen, wobei sanetschtypisch immer mal wieder ein kräftig athletischer Move zu bewerkstelligen ist. Nach einer Verbindungsseillänge im Gras folgt noch der krönende Ausstieg über 2 Seillängen zur aussichtsreichen Blumenwiese, wo es jedesmal ein Genuss ist, den malträtierten Füssen Raum zu geben und ins sanfte Gras zu drücken. Diesmal beobachten uns noch 2 Bartgeier, die mühelos kreisend über unseren Köpfen mit ihrer riesigen Flügelspannweite Schatten erzeugen.

 

Die Ivan ist mit 9 Seillängen und einer Verbindungsseillänge eine der längsten Routen am Sanetsch. Fast jeder Meter Fels begeistert. Bezüglich der Platte in der 3. Seillänge muss jeder für sich selbst entscheiden, wie er hier vorgeht. Für einen freien Durchstieg entlang der Bolts muss man sich wohl als hervorragender Plattentänzer bezeichnen wollen um ernsthaft Chancen zu haben und nicht einen Abgang unter die Dachkante zu riskieren, weil wegen mangelndem Sichtkontakt der Sicherungspartner vielleicht zu viel Schlappseil ausgibt...Mit A0 Unterstützung sieht die Welt dort wohl schon anders aus, aber wer will schon ein Team-Onsight vergeigen? Also doch die logischere, ungesicherte "Umgehungs"-Variante?

 

Führer-Literatur für den Sanetsch

Claude et Yves Remy: Escalades (6000 longueurs pour tous les niveaux) Vaud, Chablais, Bas-Valais, Sanetsch

Route Ivan, 6c (6a+ obl.) von 2004

 

(Anmerkung: auf camptocamp wird die erste Seillänge mit 7a gehandelt. Die Wahrheit liegt wohl wie so oft dazwischen, ein 6c+ wäre wohl angemessen. Und wer 6a+ (weil als obl. angegeben) als sein maximales Niveau hat, wird wohl kaum Gefallen an der Route finden...)

 

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschaftlerin, MSc

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