Nebel umwabert die Seilbahnstation, als wir die Kabinenbahn verlassen. Für den Sanetsch war doch Sonnenschein angekündigt?!? Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, die Sonne drückte bereits durch die Wolkendecke nur wenige Hundert Meter weiter. Wir entschieden uns ob der düsteren, kalten Aussicht im Nebel zu klettern, für einen Kaffee Stop im "Ta Cave". Als sich auch nach einer dreiviertel Stunde nichts an der Situation änderte, trotteten wir mürrisch in den Nebel hinaus um nur wenige Minuten später positiv überrascht zu werden. Die Sonne brannte bereits lichterloh auf die hellen Kalkwände des Montons. Die Rock'n'roll, welche wir ins Auge gefasst hatten, entpuppte sich als einzig nasse Linie der Wand, somit war kurzfristiges Umentscheiden angesagt und wir stiegen in die nicht all zu weit entfernte Tsingy Variante (dick und fett angeschrieben) ein, welche mit glänzenden Bolts in vernünftigen Abständen einer Schwachstelle entlang in einfacher Kletterei nach rechts hinauf zog. Wir hatten uns ob der schön aussehenden Bolts wohl etwas verleiten lassen, denn der Routencharakter änderte schon bald.
Die folgende Seillänge in eleganter Exponiertheit an wohl strukturiertem Fels, die dritte Seillänge mit nomineller Crux (7a), in der die Bolts zwar nahe stecken, man allerdings noch an den original Rostgurken der Erschliessung klettert nach dem Motto "einer wird schon halten". Mir erschliesst sich der Sinn einer solchen Sanierung nicht. Warum lässt man in der Crux das Alteisen stecken, während man davor und dahinter neue Bolts setzt? Nicht Fisch, nicht Fleisch. Nunja, ich bin es mittlerweile ja gewöhnt, dass man am Sanetsch mit allem rechnen muss und am besten mit einer gewissen Reserve in die Touren einsteigt.
Die nachfolgende Plattenrampe mit etwas weiteren Abständen und an deren Ende gerade hinauf zum Stand, was einmal mehr nicht ganz offensichtlich ist, weil unterschiedlichstes Material verbaut wurde. In einer eindrücklichen Schlaufe zum folgenden Stand und Start der mentalen Cruxseillänge, welche sich mit 6c bewertet als Wolf im Schafspelz verkleidet: Eine Knallerplatte in perfektem Hochgebirgskalk, mega rauh und obligatorisch gesichert (natürlich mit etwas Alteisen ;-). Nur wenige Strukturen ermöglichen die Fortbewegung, ein abgefahrenes Teil, was wie ein technischer Boulder in einer modernen Boulderhalle sein könnte. Als ich zum Abschluss meinen Arm zur griffigen Schuppe ausstreckte und einen Henkel spürte, entwich mir kurzerhand ein Jubelschrei: überlebt, und sogar im saubersten aller Stile, im Onsight!
Dass sich die Tour nach oben hin zahniger anfühlte, als zu Anfang, liess uns auch die nächste Seillänge spüren. Eine old-school 6b an Wasserrillen, hart, härter, am härtesten. Hier darf man ganz schön zupacken und muss sich gleichzeitig ziemlich gut auf den Füssen positionieren. Danach wechselt die Felsstruktur, die Textur fühlt sich glatter an, weniger Reibung und die Seilreibung wird unerträglich zum Stand in der grossen Nische. Hier trifft man linkerhand auf antikes Standkonstrukt. Wer den Stand zur rechten nicht gleich sieht, wird einen Herzkollaps bekommen...Wir beschliessen, um ohne Stress zum Bähnli zu gelangen, die Route hier zu beenden und abzuseilen. Der Kaffee-Einschub am Morgen kostete uns die Zeit, die uns zum Fertigklettern der Route nun abging.
Fazit: Wirklich lohnende Route, sehr abwechslungsreich und mit originellen Kletterpassagen, die eindrücklich in Erinnerung bleiben werden. Das mit der Qualität der Absicherung ist ein eigenes Thema...
Sanetsch. Les Montons. Rémys 1984 (2011 saniert): Tsingy Variante 7a (6b obl.), 9 SL
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