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Alphubel Rotgrat

Eine klassische Bergtour mit hochalpinem Charakter, die von uns aus als Tagestour zu machen ist. So lauteten die Kriterien für die Tourenauswahl. Hoch, wenig überlaufen, der Jahreszeit angepasst. Warum nicht mal dem Alphubel über den Rotgrat einen Besuch abstatten? 

 

Mit dem ersten Lötschbergtransfer erreichen wir um kurz vor 7Uhr in morgendlicher Frische die Täschalp mit unserem Auto. Für gewöhnlich reisen wir ins Wallis mit dem Zug, da die Täschalp allerdings nicht per öV erreichbar und wir die zusätzlichen Höhenmeter ab Täsch mit den Bergschuhen vermeiden wollen, greifen wir ausnahmsweise auf den Benz zurück. Bei der Auffahrt von Täsch stellt sich dann durchaus die berechtigte Frage, ob man mit dem Auto tatsächlich schneller oben ist als zu Fuss. Bequemer ist es allemal, keine Frage, aber die erhoffte Zeitersparnis ist nur vage festzustellen.

 

Durch den azyklischen Aufbruch um kurz nach Sieben geniessen wir die Stille und den kühlen Schatten auf dem einstündigen, easy zu begehenden Weg zur Täschhütte. Auch danach darf man noch getrost etwas weiter schlafen, bevor Blockfelder Konzentration erfordern. Beim "Steinmännchenfriedhof" angelangt empfangen uns die ersten Sonnenstrahlen auf der doch ansonsten recht düsteren Seite des Alphubels. Die Westexposition ist Fluch und Segen zugleich. Schwitzen tut man kaum, dafür ist lange rumtrödeln weniger angesagt. Klamme Finger begleiten mich unterdessen auf dem Zustieg zum eigentlichen Unterfangen, dem Rotgrat. 

Der ganze Kessel rund um den Weingartengletscher ist düster-abschreckend und beeindruckend zugleich. Das Täschhorn mit seinem langen Teufelsgrat erstreckt sich in seiner ganzen Länge linkerhand von uns. Doch auch der gesamte Rotgrat zum Alphubel scheint ähnliche Ausmasse anzunehmen. Gut, beginnt unsere Kletterei erstmal über den oberen Teil des Wissgrat, der später in den Rotgrat übergeht und beim P. 3665 gabelt. Entgegen der Annahme, dass wir grossteils brüchiges Gestein vorfinden werden, klettern und steigen wir seilfrei über festen Gneis. Freude kommt auf und wir gewinnen rasch an Wegstrecke und Höhe. Nur kurze Passagen erfordern ein paar beherztere Moves, besonders zum Ausstieg hin.  

Über Firnreste, die bereits genügend weich sind, um sie ohne Eisen zu begehen, erreichen wir Aufschwünge, die auf den ersten Blick nur in ziemlich schwieriger Kletterei zu überwinden sind. Nach etwas Probieren, stellt sich heraus, dass der Aufschwung an seinem rechten Rand in einfacher Kletterei erstiegen werden kann. Das Seil hatten wir vorsorglich bereits ausgepackt und die drei Cams an den Gurt gehangen, nun baumeln sie munter auf den nächsten Metern über den Firn bis zum eigentlichen Kletteraufschwung in der Luft. Der Rotgrat entpuppt sich vielmehr als Flanke denn als Gratschneide. Üble Platten, die zwar mit wenigen Bolts gesichert sind, ermöglichen entlang von schmalen, rutschigen Simsen mit Schuttauflage das Erreichen der breiten Kante. Ich muss gestehen, dass ich diese Passage unterschätzt hatte. Mit 3a im Silbernagel Führer masslos unterbewertet, schleiche ich mich über diesen plattigen Abschnitt hinweg. Und auch im nächsten Abschnitt will nicht so recht der Flow durchgreifen. Schutt, Bruch, wenig eindeutige Wegspuren. Die Intuition muss walten, das Topo führt uns eher in die Irre. Erst mit dem Erreichen von weiteren Haken wird klar, dass wir auf der richtigen Fährte sind und die Felsqualität bessert sich zum Guten. Wir gewinnen wieder an Fahrt, sind aber nach wie vor froh um unser Seil und die drei Cams am Gurt, die schnell improvisierte Standplätze ermöglichen bzw. ein Klettern am gestreckten Seil. In Erinnerung bleibt mir das beeindruckende Quarzband und eine klassische Hau-Ruck-Stelle, so ein Ramftelteil, das selten elegant aussieht. Plötzlich erreichen wir den Ausstieg aus dem Felsabschnitt, die gleisende Sonne empfängt uns und eine Spur mit tiefen Tritten leitet hinüber zur Einmündung von der Eisnase. Kurz darauf stehen wir am Gipfelkreuz, allerdings eingenebelt. Wer das Gipfelkreuz vom Winter kennt, wird beeindruckt sein, wie weit es im Sommer in den Himmel ragt! 

Dass uns am Gipfel bereits die Wolken einhüllen, ist kein gutes Zeichen. Gewitter sind für den späten Nachmittag angekündigt. Wir entscheiden uns daher nur kurz ein paar Bissen zu genehmigen und den Abstieg über die Eisnase anzutreten. Ein paar blanke Stellen, sowie Nassschnee auf Eis, das ist die Eisnase Anfang August. Zum Glück ist sie nicht mehr sonderlich steil und es lässt sich mit guter Steigtechnik noch halbwegs zackig absteigen. Kurz vor dem Alphubeljoch kommen uns noch zwei Osteuropäer entgegen, sie befinden sich im Aufstieg zur Eisnase trotz aufziehendem Gewitter. Erste dumpfe Donner sind in der Ferne bereits auszumachen und über dem Weisshorn braut sich kräftig Schwarz etwas Heftiges zusammen. Wir können nicht anders, als sie auf die prekäre Situation hinzuweisen und raten ihnen zum Abstieg. Im Schweinsgalopp rennen wir über den spaltenarmen Alphubelgletscher hinunter, bis das Blankeis uns in der Geschwindigkeit einbremst. Wir holen eine weitere Seilschaft ein, die gerade die Steigeisen am Ende des Gletschers abzieht, als es zu regnen beginnt. Wir legen nochmals einen Zahn zu und beschliessen bis zur Täschhütte unseren Abstiegssprint durchzuziehen. Die schwarze Front vom Weisshorn bricht herein, Wolkenfetzen ziehen vorbei, der Regen peitscht uns um die Ohren, es donnert und schallert nach jedem Blitz. Wir sind froh bereits so weit unten zu sein, wir könnten jederzeit unter einem grossen Felsblock Schutz suchen und das Gewitter aussitzen. Doch was ist mit der Seilschaft oben am Berg?

 

Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei und wir pitschepatsche nass. Die August-Sonnenstrahlen haben reichlich Kraft, die Landschaft drumherum dampft und unsere Kleidung und Ausrüstung auch. Den Kaffee&Kuchen-Stop auf der Täschhütte müssen wir ob unserer triefnassen Kleidung ausfallen lassen. Als wir jedoch wieder beim Auto ankommen, sind wir bereits getrocknet, unsere Kehlen allerdings auch. So wie der Tag im Schatten begann, so endet er im Schatten. Die Täschalp ist nicht gerade der sonnigste Platz auf Erden...aber ein guter Ausgangspunkt für schöne Abenteuer;-)

 

 

Alphubel (4206m) / Walliser Alpen

über den Rotgrat /Westgrat (ZS+/4a)

 

Bei Vereisung (westseitig und sehr hoch!) sicherlich unangenehm! Trotz Bohrhaken nicht zu unterschätzende Kletterei und Wegfindung am Gipfelaufbau. Ein paar Cams leisten gute Dienste. Fels im Gesamten nur mässig, wenn man ihn mit den schönen Felstouren am Obergabelhorn (Arbengrat) und Zinalrothorn (Rothorngrat) vergleicht. Die Linie beeindruckt auf der Karte und auch aus der Ferne. Beim Lokalaugenschein entpuppt sich der "Grat" kaum als Grat. Ein gutes Routengespür ist hilfreich. Als Gesamterlebnis aber sehr lohnende, selten überlaufene Tour. Der Ausblick auf das Weisshorn ist fantastisch.

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschafterin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

Online-Autorin SAC Tourenportal

Autorin Trailrunning Guidebook

 

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