Wer es sich erlauben kann, azyklisch unterwegs zu sein, dem sei die ansprechende Gratkletterei auf den Mönch über seinen Südwest Grat empfohlen. In 15 Minuten ist der Einstieg vom Jungfraujoch erreicht, man lässt den Trubel hinter sich, die penetrante Geräuschskulisse des Jungfraujochs weicht zunehmend der Bergstille. Der späte Start bringt überzeugende Vorteile mit sich: freie Fahrt am Südwestgrat (er ist aber auch sonst nicht überlaufen) und angenehme Temperaturen (meist müssen die Steigeisen für den Zustieg schon gar nicht erst montiert werden, da der Schnee bereits auf den Punkt aufgeweicht ist). Mit dem kurzen Abstieg über den Normalweg zum Jungfraujoch zurück ist die Tour der Kategorie Wellnessbergsteigen zuzuordnen. Klar, die grossen Abenteuer und Erlebnisse spielen sich woanders ab, aber wer will schon jedesmal beim Bergsteigen die Todeszone spüren? Bergsteigen muss nicht heroisch, abenteuerlich und zehrend sein. Es kann auch anders, wie hier am Jungfraujoch. Lustvoll, spielerisch, genüsslich. Und doch braucht es volle Konzentration und Aufmerksamkeit, sowie eine solide Selbsteinschätzung und das entsprechende Können. Denn bereits der Einstieg auf den Grat erfordert beherzte Klettermoves an glattem, zuweilen steilem Fels. Die 3 fixen Sicherungspunkte bringen Entspannung ins meist noch nicht aufgewärmte System. Abrupt vom Gehmodus in den Klettermodus schalten, ist nicht Jedermanns Sache. An der Lücke am Grat empfängt einen für gewöhnlich ein kalter Wind, er lässt dich fühlen, dass du dich in hochalpinem Gelände auf über 3500m bewegst. Kombinierte Passagen aus Fels und Schnee am zum Teil noch luftigen Grat machen den Auftakt, bevor der Bizeps übernehmen muss. Dort, wo der grosse Felsausbruch einmal war, wurden dicke Taue installiert, die steil empor ragen. Die Tritte eher klein, das macht es tatsächlich noch kraftvoll. Ähnlich des ersten Abschnitts geht es weiter in grossteils leichtem, felsigen Gelände. Erst beim letzten und langen Aufschwung ändert der Charakter: eine brüchige, lose Flanke will zwar unschwierig, aber etwas mühsam erstiegen werden bis zum Grat zurück, ab dem dann der elegante Firngrat zum Mönchsgipfel ansetzt.
Auf dem Gipfel an diesem Tag ein Treffen bekannter Gesichter und Social Media Bekanntschaften. Von den herbstlich aussergewöhnlichen Verhältnissen wollten viele profitieren. Die Seilschaften, die über unterschiedlichste Routen (Nollen, Lauper, SW-Grat, Normalweg, Südwand, NE-Wand) an diesem sonnigen Novembertag aufgestiegen sind, kulminieren am höchsten Punkt zu einer grossen Gemeinschaft: Gleichgesinnte, die vor dem langen Winter nochmals Höhenluft, Sonne und das hochalpine Flair aufsaugen wollten. Der Mönch bietet für viele Gesichter und Geschmäcker Routen, Abenteuer, Herausforderungen und eben auch Wellnessbergsteigen für die Neuhausers;-)
Und dann folgt meine Lieblingspassage in an diesem Tag mehr als perfekten Verhältnissen. Ich würde sie sogar als aussergewöhnlich bezeichnen: der CATWALK über den Firngrat des Normalwegs. Heute ist die Spur, die Autobahn, so breit und ebenmässig, dass sie zum Genuss ohne mulmiges Gefühl wird. Griffiger Schnee, der nicht durch die Steigeisen rutscht, kein Quadratzentimeter Vereisung, keine tiefen Stolpertritte. Einfach nur herrlich! Ein Laufsteg, eine Himmelsleiter. Tief aufsaugen, lächeln und durchatmen. An das überfüllte Jungfraujoch darfst du getrost erst später denken!
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