Prolog
Die grosse Erkenntnis der Kletterferien in spanischen Gefilden mit meinen Kletterkolleginnen Lilian, Henriette und Susi: wir Mädels haben ausnahmslos zu wenig Selbstvertrauen, zu viel Versagensangst, machen uns zu viel Druck. Nur nicht auffallen, nur nicht im Mittelpunkt stehen. Zum Understatement passt eben nicht mit grosser Brust und erhobenem Kopf zielstrebig in eine Route über dem vermeindlichen Leistungsniveau einzusteigen, womöglich noch in die viel begehrte Kingline des ganzen Sektors.
Doch damit ist jetzt Schluss. Das eigene Potenzial lässt sich nur ausschöpfen, wenn man auch auf seine Fähigkeiten vertraut. Keine Ausreden mehr (ausser meinen viel zu kurzen negativ Apeindex T-Rex Armen😜🤣)! Einsteigen, kämpfen, gewinnen! Nur noch so und nicht anders in Zukunft!
Siurana
Bei unserem dritten Aufenthalt in Siurana erleben wir diesmal die wärmste Phase mit Tagestemperaturen von bis zu 18/20Grad Ende November. In den südseitigen Sektoren wie Siuranella Centrale oder den Wänden unterhalb des Ortes bildet sich Solarium Feeling, die kleinen Leisten werden im Nu unhaltbar. Und wir müssen zum ersten mal in die schattigeren Sektoren ausweichen. Hier bietet sich vor allem Siuranella Est an, das am Morgen noch Sonne erhält und dann ab Mittag im Schatten liegt. Oder die Westseite (Sektoren wie Onasis, Can Codola,...), wo mit einem etwas späteren Start die kältesten Stunden überbrückt und dann beim Sichern alsbald angenehme Sonnenstrahlen den Körper erwärmen, während die Kletterrouten noch länger im Schatten liegen.
Wir picken uns wie immer die optischen Perlen raus. Mal ist es die Farbgebung des Fels, mal die Linie an sich, die ins Auge springt. Und fast immer haben wir daran zu knabbern. Sei es wegen der sportlichen Absicherung, sei es wegen der harten Bewertung, sei es wegen...eine Ausrede findet sich doch immer;-) Ist es nicht spannend, dass das Klettern fast nie dazu verleitet, die eigene Unfähigkeit hervorzuheben? Und stattdessen nach Ausreden gesucht wird, warum der Move nicht klappte, warum man sich nicht weiter traute, warum man es nicht zum Top schaffte?
Doch dann, am dritten Tag vor der Abreise. Ich will es wissen. Oder besser gesagt, meine Kletterpartnerin Lilian drängt mich dazu, endlich mal in etwas schweres einzusteigen. Zum ersten Mal in meinem Kletterleben bin ich diejenige, die eine Route im persönlichen Projektgrad einhängt. Oder es zumindest versucht. Denn bis nach oben schaffe ich es tatsächlich nicht. Alle Bolts sind obligatorisch anzuklettern, am Schluss geht mir der Saft aus und mit ihm das Selbstvertrauen. Doch zum ersten Mal erlebe ich auch das Gefühl echten Sportkletterns. Am Maximalkraftlimit moven, einen weiten Abgang riskieren, tüfteln und das Spiel beginnt von vorne. Ich bin mächtig stolz auf mich, es gewagt zu haben. Kein Scheitern, weil ich nicht hochgekommen bin. Nein, ganz im Gegenteil, ein Gewinnen, weil ich es versucht habe. Weil ich riskiert habe und ins Ungewisse aufgebrochen bin. Auf eine Reise namens Sportklettern, in die Welt der 8a'a und höher.
Am nächsten Morgen kann ich mich kaum noch bewegen. Ich bin geplättet wie nach einem harten Bouldertag. Doch ich habe Blut geleckt, meine Gedanken kreisen noch immer rund um das Projekt. Ich würde am liebsten gleich wieder einsteigen, aber ich weiss zugleich auch, dass mir leider die Regenerationszeit nicht ausreicht um einen weiteren ernsthaften Versuch zu starten. Dafür reise ich mit einem grossen Rucksack voller Motivation nach Hause. Im Winter dran zu bleiben, stärker zu werden und dann im Herbst wieder zurückzukehren. 8a-Challenge accepted!
Montsant - Racò de Missa
Die südwestseitige, einzigartige Lage hoch über der Hügellandschaft lässt den etwas längeren Zustieg mehr als rechtfertigen. Die lange Ausdauerkletterei an senkrechtem, leicht überhängendem Lochkalkkonglomerat mit vielen Routen im Bereich 7a-7b+ ist allerdings ziemlich populär, besonders, wenn weiter unten Nebel herrscht. Dann kann es hier oben kletterhallenmässig voll werden. Für immer in Erinnerung werden mir die Sonnenuntergänge bleiben und die endlosen Verblauungen am Horizont. Dieses Naturschauspiel rundet den sowieso schon perfekten Klettertag jedesmal gebührend ab.
Die Kletterei ist auf Dauer etwas eintönig, da sie sich vornehmlich an Löchern abspielt. Aber ein herrlicher Kontrast zur Leistenzieherei in Siurana. Die Absicherung eher weit und luftig nach oben hin, die unteren Bolts sind aber i.d.R. nah zusammen und das Sturzgelände ist durch die vorgegebene Felsstruktur sowieso optimal. Vorausgesetzt dein Sicherungspartner schläft nicht, kannst du trotz der weiteren Abstände voll angreifen. Und ist es nicht herrlich, die Crux obligatorisch zu klettern, sich zu fokussieren, zu konzentrieren und dann die Kraft auf den Punkt zu bringen? Für mich jedenfalls ein befriedigendes Gefühl, das sehr viel Zufriedenheit, Stolz und innere Ruhe bringt.
Info: Das Gebiet ist im Tarragona Kletterführer enthalten. Mit dem Auto ab Cornudella ca. 20min und dann nochmals 45min Fussweg.
Arboli
Arboli ist eine schöne Ergänzung zu den Klettereien in Siurana. Die südwestseitige Ausrichtung bedingt am Morgen noch kühlere Temperaturen und ein herrliches Abendlicht. Dazwischen wird es bei Sonnenschein aber unerträglich heiss. Die Routen sind irgendwie deutlich abgespeckter als in Siurana und deshalb nicht so ganz wärmekompatibel. Wandkletterei mit boulderlastigen Moves dominiert die Art der Kletterei. Die Absicherung auch eher gefühlt weit, so wie hier in den Gebieten rund um Cornudella üblich.
Tipp: Ein frisch gezapftes, kühles Bier gibts im Refugi in Arboli.
Infos
- Als Unterkunft wählten wir diesmal ein gemütliches Apartment (Apartments Montsant) sehr zentral gelegen in Cornudella und mit Parkplatz vor dem Haus. Für 2 Personen eine ruhige Bleibe mit gut ausgestatteter Küche, heissem Wasser und super Heizung. Dinge, die nicht immer selbstverständlich sind im Süden;-)
- Wer gerne Schokolade mag, sollte in Popoleda vorbeifahren, hier gibt es eine Schokoladeria Xocoleda 9 onze und für die Liebsten ein Mitbringsel organisieren.
- Guten und günstigen Cappuccino vor dem Klettern gibts beim Camping Siurana. Ein super Start in den Tag: auf der Bank in der Sonne den Führer studieren und Cappuccino schlürfen.
- Eine schöne Auswahl an Bieren und die obligatorischen Patatas zum Apéro nehmt ihr am besten beim Gomma Kletterladen am Ortseingang von Cornudella zu euch. Pizzen auch sehr empfehlenswert, wobei man das Teil eher als Flammkuchen bezeichnen würde. Öffnungszeiten checken nicht vergessen, die Spanier haben so ihre eigenen, uns meist sehr fremden opening Hours.
Rasttag Empfehlung: Hiking Loop Montsant
Von La Morera de Montsant startet der Wanderweg zum Loop gegen den Uhrzeigersinn, wobei zuerst die Passage von Grau de la Grallera erklommen wird, dann die Hochebene durchwandert, die an eine Mondlandschaft erinnert, bevor zum Schluss der Aussichtspunkt auf Racò de Missa erreicht und über Grau de Salfores zurück in den Ort abgestiegen wird. In Summe gut 8km und 400Hm mit wunderschönen Ausblicken. In La Morera gibt es eine Bar Bar L'únic zum Ausklingen lassen der stimmungsvollen Wanderung.
Hier der Link zum STRAVA:
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